Soudabeh Saeidi

 

Moral, Bildung und Religion im Iran

Zur Bedeutung universitärer Bildung für die Entwicklung moralischer Urteils- und Diskursfähigkeit in einem religiös geprägten Land

 

 

 

 

Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades des Doktors der Naturwissenschaften an der Universität Konstanz Fachbereich Psychologie

Tag der mündlichen Prüfung: 13 Januar 2011

Referent: Prof. Dr. Georg Lind Referent: Prof. Dr. Wilhelm Kempf

 

Original:

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS)URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-opus-131079

URL: http://kops.ub.uni-konstanz.de/volltexte/2011/13107/

 



Danksagung

 

Am Anfang dieser Arbeit soll ein herzliches Wort des Dankes stehen. Dieses gilt in besonderer Weise meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Georg Lind, der mich in den wissenschaftlichen Arbeiten einführte und mir ein Vorbild rationalem und forschungsorientiertem Denken ist. Ihm danke ich für die vielseitige Unterstützung, sein Geduld und sein außerordentliches Engagement. Für die bereitwillige Übernahme des Zweitgutachtens bedanke ich mich Herzlich bei Herrn Professor Dr. Wilhelm Kempf. Ein besonderer Dank gilt auch meiner Freundin Frau Dr. Lupu, die mir während der statistischen Auswertung sehr hilfreich zur Seite stand. Beim Korrekturlesen half mir mein Kollege Kay Hemmerling. Ihm sei an dieser Stelle vielmals gedankt. Weiterhin bedanke ich mich bei allen Personen, die mir durch ihre Unterstützung geholfen haben, diese Arbeit zu erstellen. Ihnen allen ein herzliches Dankeschön!

 


 

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Zusammenfassung

Abstracht

1 Einleitung
2 Theorie
3 Forschungsfrage und Hypothese
4 Methode
5 Ergebnisse
6 Diskussionen
7 Empfehlungen für eine Reform des iranischen Hochschulunterrichts
8 Literatur
9 Anhang

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Über das Verhältnis von Moral, Bildung und Religion

 

2. Theorie: Moral, Bildung und Religion

2.1 Moralische Orientierungen und moralische Urteils- und Diskursfähigkeit .............

2.1.1 Urteilsfähigkeit als Brücke zwischen Einstellung und Verhalten ....................

2.1.2 Die Zwei-Aspekte- Theorie von Lind ..............................................................

2.2 Bildung als Voraussetzung für die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit

2.2.1 Die Bildungstheorie der Moral ........................................................................

2.2.2 Bildung versus sozialer Druck .........................................................................

2.2.3 Bildung versus moralische Reifung .................................................................

2.2.4 Qualität der Bildung: Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexion

2.2.5 Die Qualität der Bildung an iranischen Universitäten .....................................

2.3 Die Rolle der Religion bei der Moralentwicklung ..................................................

2.3.1 Formen der Religiosität ...................................................................................

2.3.2 Dogmatische Religiosität .................................................................................

2.3.3 Fördert oder hemmt religiöse Bindungen die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit?

2.3.4 Über Wechselwirkung von dogmatischer Religiosität und Hochschulbildung

2.3.5 Das Phänomen der religiös bedingten moralischen Segmentierung ................

2.3.6 Religiosität im Iran heute

 

3. Forschungsfrage und Hypothesen

3.1 Die Forschungsfrage .

3.2 Hypothesen

3.3 Hypothesen im Überblick

.

4. Methode .........................................................................................................................

4.1 Untersuchungsanlage ...............................................................................................

4.2 Geplante Stichprobe .................................................................................................

4.3 Realisierte Stichprobe ..............................................................................................

4.4 Voruntersuchung ......................................................................................................

 

4.5 Hauptuntersuchung ..................................................................................................

4.6 Abhängige Variablen ...............................................................................................

4.7 Unabhängige Variablen ...........................................................................................

4.8 Statistische Methoden: Maße der Effektstärke

 

5. Ergebnisse

5.1 Der Effekt der Bildung auf moralische Orientierungen und Fähigkeiten

5.2 Der Einfluss der Qualität der Bildung auf moralische Urteils- und Diskursfähigkeit

5.3 Der Effekt von dogmatischer Religiosität auf moralische Orientierungen und Fähigkeiten

5.4 Der Effekt der dogmatischen Religiosität auf die Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit

5.5 Der Effekt von Alter und religiösem Umfeld auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit

5.6 Ergebnisse im Überblick

 

6. Diskussion ......................................................................................................................

6.1 Verantwortungsübernahme in Begleitung von angeleiteten Reflexionen ist eine notwendige Bedingung für die Moralentwicklung

6.2 Dogmatische Religiosität erweist sich als ein hemmender Faktor für die Moralent-wicklung

 

7. Empfehlungen für eine Reform des iranischen Hochschulunterrichts ...................

7.1 Ansatz der „Konstanzer Methode der Dilemma Diskussion (KMDD)“ zur Förderung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit

7.2Integration der Moralerziehung nach der Zwei-Aspekte Theorie im Religionsunterricht

 

8. Literatur ........................................................................................................................

 

9. Anhang ..........................................................................................................................

Anhang A: Deutsche Version des Fragebogens ............................................................

Anhang B: Iranische Version des Fragebogens .............................................................

Anhang C: Schriftverkehr mit den iranischen Hochschulen...........................................

 

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Das Design des moralischen Urteils-Test (MUT) ....................................................

Abb. 2 Präferenzhierarchie moralischer Orientierungen (2.Voruntersuchung) ...................

Abb. 3 Präferenzhierarchie moralischer Orientierungen (Hauptuntersuchung) ..................

Abb. 4 Quasi- Simplex Struktur (2. Voruntersuchung) .......................................................

Abb. 5 Quasi- Simplex Struktur (Hauptuntersuchung) .......................................................

Abb. 6 Die Parallelität von C-Wert und moralischen Orientierungen (2.Voruntersuchung)

Abb. 7 Die Parallelität von C-Wert und moralischen Orientierungen (Hauptuntersuchung)

Abb. 8 Die Präferenz der moralischen Orientierungen im ersten und letzten Studienjahr..

Abb. 9 Die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit ...........................

Abb. 10 Die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit bei Studierenden aus Brasilien, Deutschland, Rumänien und Iran

Abb. 11 Die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit in verschiedenen Fächern ....

Abb. 12 Die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit von Studierenden (am Anfang des Studiums) in kompetitiven und wenig-kompetitiven Universitäten

Abb. 13 Die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit der Studierenden in kompetitiven und wenig-kompetitiven Universitäten .

Abb. 14 Der Einfluss von Qualität der Bildung auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit

Abb. 15 Der Effekt der Qualität der Bildung auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit bei Studierenden aus Deutschland, Brasilien, Rumänien und Iran ...

Abb. 16 Der Effekt der Qualität der Bildung auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit in unterschiedlichen Fächern

Abb. 17 Die Effekte der Qualität der Bildung auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit in kompetitiven und wenig-kompetitiven Universitäten .....

Abb. 18 Die Präferenz für die moralischen Orientierungen in Abhängigkeit von dogmatischer Religiosität

Abb. 19 Die Effekte der dogmatischen Religiosität auf die moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit

Abb. 20 Der Effekt der dogmatischen Religiosität auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit

 

Abb. 21 Der Effekt von dogmatischer Religiosität auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit bei Studierenden aus Rumänien und Iran

Abb. 22 Der Effekt von dogmatischer Religiosität und Qualität der Bildung auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit

Abb. 23 Der Effekt der dogmatischen Religiosität und Qualität der Bildung auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit bei Studierenden aus Rumänien und Iran

Abb. 24 Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit .

Abb. 25 Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit bei Studierenden aus Iran, Mexiko, Rumänien und Deutschland

Abb. 26 Der Effekt der dogmatischen Religiosität auf die Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit

Abb. 27 Der Effekt des religiösen Umfelds auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit

 

Tabellenverzeichnis

Tab. 1 Geplante Stichprobe .................................................................................................

Tab. 2 Realisierte Stichprobe ..............................................................................................

Tab. 3 Der Einfluss der Qualität von Bildung auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit

Tab.4 Die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit der nicht-dogmatischen, dogmatischen und sehr-dogmatischen Studierenden .

Tab. 5 Zweifaktorielle Varianzanalyse: Auswirkung der dogmatischen Religiosität auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit .

 


 

 

 

Zusammenfassung

 

in einem moralischen Diskurs gemäß eigenen moralischen Orientierungen zu handeln, anstatt Gewalt anzuwenden. Nach der Bildungstheorie der moralischen Entwicklung, wird diese Fähigkeit in der Hochschule durch Möglichkeiten zur Verantwortungsübernahmen und angeleiteten Reflexion gefördert und durch dogmatische Religiosität behindert (aber nicht durch persönliche Religiosität). Untersuchungen in verschiedenen Ländern haben diese Annahmen empirisch bestätigt. Werden sich diese Annahmen an der iranischen Hochschulen bestätigen lassen? Teile der ORIRIN-Fragebogen von Lind und Schillinger zur Erfassung der Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahmen und angeleiteten Reflexionen und eine modifizierte Version des religiösen Dogmatismus von Kietzig und Lind. Existieren solche Lerngelegenheiten an iranischen Universitäten und wenn ja, haben sie hier ähnliche Fördereffekte auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit? Für den Iran gelten besondere Bedingungen. Er ist seit der Machtübernahme der Mullahs im Jahr 1979 ein stark religiös geprägtes Land. Dogmatische Religiosität, die sich strikt an den Lehren einer Glaubensgemeinschaft orientiert, ist hier sehr verbreitet. Behindert diese die kognitiv-moralische Entwicklung der Studierenden generell? Zeigt sich auch hier das Phänomen der „moralischen Segmentierung“, d.h. einer partiellen Hemmung der moralischen Fähigkeiten bei Themen, die dogmatisiert werden? Bei der empirischen Untersuchung, die im Jahr 2004 durchgeführt wurde, wurden insgesamt 579 Studierende aus den Studiengängen Medizin, Ingenieurwissenschaft und Psychologie im ersten und dem letzten Studienjahr einbezogen. Die verwendete Instrumente waren die Moralisches Urteil Test (MUT) von Lind zur simultanen Erfassung der moralischen Orientierung und moralischen Fähigkeiten, sowie e wichtigsten Ergebnisse diser Studie: Wie es zu erwarten war, ist die dogmatische Religiosität der iranischen Studierenden sehr hoch. Dogmatische Individuelle sowie kontextuelle dogmatischer Religiosität bewirken

eine „moralische Segmentierung“. Das heißt, die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit von dogmatisch-religiösen Studierenden zeigt sich nur bei Themen, die nicht religiös besetzt sind. Dogmatisch-religiöse Studierende übernehmen bei religiöse Themen (wie Sterbehilfe-Dilemma), nicht nur die Lösung der Religionsgemeinschaft, sie weigern sich auch darüber nachzudenken und ihre eigene Meinung bilden. Die Länge der universitären Bildung trägt im Iran nicht zur Förderung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit der untersuchten Studierenden bei. Doch wie diese und viele andere Untersuchungen gezeigt haben, können moralische Regression und moralischen Segmentierung überwunden, und moralische Fähigkeiten gefördert werden, wenn Studierende Möglichkeiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexion bekommen, sowie durch die speziellen Arten der Dilemma-Diskussionen . Wie die iranische Studierende berichten, existieren solche fördernden Lernmöglichkeiten eher selten in der Universität.

 

 

Abstract

 

The present research was designed to find out if in a country like Iran, in which religion has had a strong formative influence higher education can foster the development of moral judgment and discourse competence. In accordance with Kohlberg and Habermas, Lind defines this competence as the ability to act according to one’s own moral orientations and to engage in a moral discourse about conflicting issues, rather than use force or violence. According to the Education Theory of moral development, this competence is fostered in university education by opportunities for responsibility-taking and guided reflection, and is hampered by dogmatic religiosity (but not hampered by personal religiosity). Studies in various countries have empirically supported this relationship quite well.

 

How far do the same mechanisms hold true for Iranian higher education? To what extend do these opportunities exist there and do foster moral competence, and does dogmatic religiosity hamper its development? In Iran apply special terms. Since the coming into power of the Mullah in 1979, Iran is a religious country. Dogmatic religiosity, that is, the strict orientation to the doctrines of one’s religious community, is widespread. Does this dogmatic religiosity interfere with cognitive-moral functioning of students? Does it lead to ‘moral segmentation,’ i.e., the partial inhibition of moral competence on issues which are ‘dogmatized’? The empirical study, conducted in 2004, included a total of 579 students in their first and in their fourth year of study in three fields: medical science, engineering science and psychology. The assessment instruments used were Lind’s Moral Judgment Test (MJT) for assessing simultaneously moral orientations and moral competence, parts of the ORIRIN/u by Lind and Schillinger for assessing opportunities for responsibility-taking and guided reflection, and a modified version of the Religious Dogmatism Scale by Kietzig and Lind.

 

The central findings of this study: As one would expect, dogmatic religiosity was very high among the Iranian students. Dogmatic religiosity does hamper the development of moral judgment and discourse competence and even causes regression. Individual as well as contextual dogmatic religiosity increases moral segmentation, that is, it does not affect the students’ moral competence in total but only their ability to solve moral problems for which a religious dogma exists. Dogmatic-religious people do not only agree with their religious community on the solution of issues of religious salience (e.g., mercy-killing), but also refrain from even thinking about those issues. College education by itself, that is, the pure length of study, does not seem to foster the development of moral and dis-course competence of the students. However, as this and many others studies have shown, moral regression and moral segmentation can be overcome, and moral competence be fostered, by providing students with opportunities of responsibility-taking and guided reflection, and even more effectively by special kinds of dilemma-discussions. As the Iranian students reported, such favorable learning opportunities were rather scarce in their university.

 


 

1. Einleitung: Über das Verhältnis von Moral, Bildung und Religion

 

Über das Verhältnis von Moral, Bildung und Religion gibt es unterschiedliche, ja oft sogar völlig konträre Vorstellungen. Dies hängt offenbar auch damit zusammen, dass diese Dinge unterschiedlich verstanden und erfasst werden. Moral wurde lange Zeit als etwas betrachtet, dass entweder weitgehend oder vollständig angeboren ist oder den Menschen von der Gesellschaft bzw. dem Milieu, in das sie hineingeboren wurden (Tillmann 2000), mit mehr oder weniger Zwang eingeprägt wird. Erst in jüngerer Zeit wird diesen beiden Theorien – der genetischen Theorie und der Sozialisationstheorie -die These gegenüber gestellt, dass Moral durch Bildungsprozesse vermittelt wird (Lind, 2002). Um diese drei Positionen vergleichen zu können, muss berücksichtigt werden, dass es zwischen diesen Theorien auch grundsätzliche Unterschiede bezüglich der Definition von „Moral“ und „Bildung“ gibt. Für die genetische Theorie wird Moralentwicklung als weitgehend genetisch gesteuert und somit als nicht lehrbar angesehen. Die Funktion der Bildungsinstitutionen beschränkt sich auf das Abwarten, bis dass die Moral zum Zuge kommt. Für die Sozialisationstheorie (z. B. Emler, Renwick & Malone, 1983), ist Moral eine Frage von moralischen Orientierungen und Einstellungen, die durch sozialen Druck und Sanktionierung erzwungen werden. Die Aufgabe der Bildungsinstitutionen besteht hier darin, die moralischen Werte und Normen der Gesellschaft zu vermitteln. In der „Bildungstheorie der moralischen Entwicklung“ jedoch, wird Moral als eine Fähigkeit betrachtet, deren Entwicklung durch Bildungsmaßnahmen unterstützt werden muss. Diese Bildungstheorie klang schon in der Moralphilosophie von Sokrates, sowie in den kognitiven Entwicklungstheorien von Jean Piaget (1932) und Lawrence Kohlberg (1969) an. Doch erst Lind hat sie anhand von umfangreichen Studien zur Moralentwicklung bei Kindern und Erwachsenen empirisch belegt und gegenüber anderen Theorie abgehoben (u. a. Lind, 1979, 1992, 2000a, 2000b, 2002, 2003, 2009a).

 

Bezüglich des Einflusses von Religion auf die Moralentwicklung werden zwei gegensätzliche Positionen vertreten: Schon vor einigen Jahrhunderten nahmen Philosophen an, dass religiöser Glaube einen fördernden Einfluss auf die Moralentwicklung hat (vgl. hierzu Wohlrab-Sahr, 2006). Sie sahen somit Religion als eine Vorbedingung für Moral an, indem sie ihren entscheidenden Einfluss auf die Moralentwicklung betonten. Luther betrachtete z. B. die göttlichen Gebote als einzig wahre moralische Regeln, deren rationale Grundlage und Rechtfertigung in der Tatsache begründet liegen, dass sie Gottes Anweisungen sind. Auch heute prägen Religionen nachweislich die ethisch-moralischen Vorstellungen der Menschen. Hill (2002) stellt fest, dass die ethischen Systeme auf dieser Welt das Produkt von Religionen sind, wofür sie die christliche und islamische Ethik als Beispiele anführt. Dieser entscheidende Einfluss von Religion auf die Moral wurde in mehreren Untersuchungen bestätigt (z. B. Matsuba & Walker, 2004; Walker & Reimer, 2006). Colby & Damon (1992) berichten, dass das moralische Handeln der von Ihnen betrachteten Personen zu fast 80% auf (christlich-)religiöse Einstellungen zurückzuführen war. (Für die empirische Untersuchung setzten sie moralisches Handeln mit der Einhaltung von Normen gleich.) Aus ihren Ergebnissen schlussfolgerten sie, dass Moral auf religiösen Normen basiert. Die entgegengesetzte Position nimmt an, dass moralische Orientierungen und moralische Urteilsfähigkeit nicht der Religion bedürfen. Anders ausgedrückt: Moralisches Verhalten setzt den Glauben an eine bestimmte Religion nicht voraus bzw. können auch „Ungläubige“ sich moralisch verhalten (z. B. Singer, 1994). Wie Lind (2003) und Nunner-Winkler (2001) feststellen, erweist sich Religion sogar als hemmend, wenn nicht gar obstruktiv, für die Entwicklung moralischer und demokratischer Fähigkeiten, da sie das Individuum unmündig macht. Lind (2003) zog den Schluss, dass die Menschen in einer von Religion geprägten Umgebung sich nicht wagten eine eigene Meinung zu Themen zu bilden, zu denen die Religion bereits einen festen Standpunkt vertrete. Nunner-Winkler (2001) führt weiter aus, dass Moral auf einer guten Regelung sozialer Kooperationszusammenhänge gründet. Religion solle auf die Probleme beschränkt bleiben, die dem Menschen prinzipiell entzogen blieben. Mit der vorliegenden Untersuchung, die sich vor allem auf die Bildungstheorie der Moralentwicklung von Lind (1985a; 2002) und seinen Mitarbeitern (Schillinger, 2006; Lupu, 2009) stützt, soll ein empirischer Beitrag zur Klärung des Verhältnisses von Moral, Bildung und Religion geleistet werden.

 

Die bisherige Forschung im Rahmen der Bildungstheorie zeigte, dass moralische Fähigkeiten weder angeboren, noch durch sozialen Zwang „ansozialisiert“ werden, sondern dass dafür Bildungsprozesse notwendig sind. Dabei kommt es nicht bloß auf die Menge an Bildung oder formale Bildungsabschlüsse an, sondern eher auf die Qualität erlebter Bildungsprozesse. Diese moralfördernde „Qualität“ von Bildungsprozessen wurde von Kohlberg (1969) und von Sprinthall et al. (1993) als „Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme“ beschrieben. Kohlberg (1969) benannte die Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme, die eine Institution bietet als einen der entscheidenden Faktoren für die „Qualität“ der Bildung. Sprinthall et al. (1993) erweiterten und präzisierten diese Vermutung, indem sie aufgrund von Beobachtungen in der Lehrerbildung ermittelten, dass die Übernahme von wirklicher Verantwortung (nicht das bloße Spiel einer Rolle) in Zusammenhang mit Gelegenheiten zur angeleiteten Reflexion wesentlich für die Entwicklung moralischer Urteilsfähigkeit seien (Sprinthall et al., 1993). Lind und Mitarbeiter haben die Forschung von Kohlberg und Sprinthall aufgegriffen und mit dem ORIGIN- Fragebogen ein Instrument entwickelt, mit dem sich die genannten Faktoren der Lernumwelt messen lassen (Lind, 2000a; Lupu, 2009; Schillinger 2006). Die Untersuchungsergebnisse mit dem ORIGIN bestätigen die obigen Annahmen. Für die Entwicklung moralischer Fähigkeiten sind regelmäßige Gelegenheiten zur eigenverantwortlichen Übernahme von Lernaufgaben notwendig, bei deren Bearbeitung man auf die reflektive Unterstützung und Beratung durch Lehrer, Mitstudierende etc. zurückgreifen kann. Ein bestimmter Fachinhalt oder die Länge der Bildung ist hier von geringerer Bedeutung. Gleichzeitig lassen einige empirische Studien vermuten, dass in Ländern, die in einem hohen Maße durch einen religiösen Kontext geprägt sind, die Qualität der Bildungsprozesse keine moralische Entwicklung bewirken kann und dort sogar mit einer Regression der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit zu rechnen ist (z. B. Lind, 2000b). Der Grad der Religiosität der Studierenden scheint dabei eine wichtige Rolle zu spielen. Lupu (2009) konnte für das christlich-orthodoxe Rumänien zeigen, dass hoch-dogmatisch-religiöse Studierende eine wesentlich niedrigere moralische Urteils- und Diskursfähigkeit haben als wenig-dogmatisch-religiöse Studierende. Selbst eine förderliche Lernumwelt im oben beschriebenen Sinn konnte die moralischen Fähigkeiten der hoch-dogmatischen Studierenden nicht fördern. Eine dogmatische Religiosität scheint somit die Wirkung einer förderlichen Lernumwelt auf moralische Fähigkeiten „auszubremsen“.

 

Die Untersuchungen zur Wechselwirkung von Moral, Bildung und Religion beziehen sich bisher ausschließlich auf christliche Religionen. In der vorliegenden Studie soll die Wechselwirkung daher im kulturellen Kontext des schiitisch dominierten Iran überprüft werden. Unter den islamischen Ländern ist der Iran für die Untersuchung dieser Wechselwirkung besonders geeignet, da universitäre Bildung gelegt hier einen großen Stellenwert hat und von Familien und der Gesellschaft unterstützt wird. Zugleich sind im Iran religiöse Unterweisungen ein wesentlicher Bestandteil der Lehrpläne an den Universitäten. Die Professoren sind verpflichtet die Studierenden im Sinne des Islam zu erziehen. Die zentrale Frage der vorliegenden Studie ist: Kann universitäre Bildung moralische Fähigkeiten auch in einer Kultur fördern, in der dogmatische Religiosität alle Bereiche des öffentlichen Lebens - so eben auch die Bildungsinstitutionen - durchdringt oder wirkt sich hier die dogmatische Religiosität als Hindernis für die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit aus? Sollten sich die Annahmen der Bildungstheorie in dieser Studie bestätigen, d. h. dass 1. die Qualität der Bildung der entscheidende Faktor für die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit ist und 2. dieser Einfluss der Bildungsqualität umso größer ist, je geringer die dogmatische Religiosität ist, so können auf der Grundlage der Bildungstheorie Empfehlungen für eine qualitative Verbesserung des iranischen Hochschulunterrichts ausgesprochen werden. Diese setzen eine verbesserte psychologisch-didaktische Ausbildung des iranischen Lehrpersonals voraus, das ggf. in die Lage versetzt werden müsste, ihren Studierenden mehr Freiräume für effektives Lernen zu verschaffen.

 

 

2. Theorie: Moral, Bildung und Religion

 

2.1 Moralische Orientierungen und moralische Urteils- und Diskursfähigkeit

 

Die Unterscheidung von moralischen Orientierungen auf der einen Seite und moralischer Urteils- und Diskursfähigkeit auf der anderen Seite ist zentral für die vorliegende Untersuchung. Diese Begriffe und ihre Beziehung zueinander sind seit langer Zeit durch zwei theoretische Richtungen geprägt. Zum einen sind dies die nicht-kognitiven Theorien, zu denen auch die Sozialisationstheorie gehört. Zum anderen sind dies die kognitiven Theorien der Moralentwicklung, zu denen die Bildungstheorie zählt (Keller 2005,Hume 2007; Gibbs et. al. 1992; Blasi 1984). Für Durkheim (1984), einen der ersten Vertreter der Sozialisationstheorie, ist Moral ein direktes Resultat von Werthaltungen, Orientierungen oder Motivation. Eine Person verhält sich im Rahmen der Sozialisationstheorie moralisch, wenn sie eine als moralisch definierte Handlung durchführt oder eine als unmoralisch angesehene Handlung unterlässt. Der Sozialisationsprozess besteht darin, dass das Individuum in die Lage versetzt wird, sich den in seiner Gesellschaft oder seiner Subkultur geltenden Verhaltensregeln, Einstellungen und Meinungen entsprechend zu verhalten. Die Moral besteht in der Achtung vor Regeln, die durch eine Gruppe festgelegt wurden und deren Einhaltung durch direkte oder indirekte Belohnungen und Bestrafungen erzwungen wird. Da die Menschen nach sozialer Belohnung streben und versuchen soziale Bestrafungen zu vermeiden, werden Normen und Werten derjenigen Gruppe, der man angehört, verinnerlicht. Durkheim betont, dass der soziale Zwang der Gesellschaft dabei hilft die Triebkräfte einen Menschen zu begrenzen und sie im Sinn der Gesellschaft umzulenken.

 

Eine Sozialisationstheorie vertrat auch Freud (1938/1990). Freud postuliert die Moralität -– das Über-Ich – grundsätzlich als Achtung vor konkreten Regeln. Das Über-Ich hat nach Freud zwei Komponenten, das Ich-Ideal und das Gewissen. Das Gewissen repräsentiert die Internalisierung gesellschaftlicher Normen, Sitten, Gebräuche und Regeln. Freud sah in den strafenden Gefühlen beim Gedanken an Regelabweichungen den eindeutigsten Ausdruck moralischer Internalisierung bzw. moralischer Achtung. Er versteht unter Moralentwicklung das an gesellschaftliche Regeln und Normen in immer stärkerem Maße angepasste Verhalten. Sobald eine Person fähig ist, eine solche Verhaltenskongruenz zu zeigen (ungefähr im Alter von fünf Jahren), ist ihre moralische Entwicklung nach Freud abgeschlossen. Nach seiner psychoanalytischen Theorie wird das Über-Ich durch frühkindliche Erfahrungen geprägt. Freud und viele andere Psychoanalytiker nahmen an, dass diese Prägung letztendlich auf kulturelle und religiöse Einflüsse zurückgeht. Aus der Sicht der modernen Moralforschung ist Freuds Theorie vor allem deswegen zu kritisieren, weil es sich um eine einseitig affektive Theorie handelt. Die Bedeutung des Ich und damit des Fähigkeitsaspekts, hat Freud in seiner Theorie zu wenig herausgearbeitet. Das social intuitionist - Modell von Haidt (2001) betont die Rolle von sozialen und kulturellen Einflüssen auf die Moralentwicklung. Moralische Entwicklung ist hier in erster Linie durch Reifung und die kulturelle Formung von Intuitionen bedingt. Die moralischen Intuitionen werden in einer Kultur durch selective loss und peer socialization modifiziert, verbessert oder unterdrückt. Bei Haidt‘s Theorie ist zu beachten, dass in ihr der Begriff der Fähigkeit gar nicht vorkommt. Haidt definiert moralisches Verhalten extern als, „evaluations (good vs. bad) of the actions or character of a person that are made with respect to a set of virtues held to be obligatory by a culture or subculture” (Haidt, 2001, S.817). Sozialisationstheorien sehen moralische Orientierungen als wichtige Voraussetzungen für moralisches Handeln an. Diese Orientierungen werden mit Einstellungsfragebögen gemessen. Doch diese moralischen Einstellungen (Orientierungen) hängen nur wenig mit z. B. normenkonformem Verhalten oder Hilfeverhalten in Konfliktsituationen zusammen (Lind, 2002). Einstellungen sind kaum in der Lage gute Verhaltensprognosen abzugeben. Die moralische Urteilsfähigkeit drückt –wie unten dargelegt wird- den strukturellen Aspekte des Handelns aus. Dieser Strukturaspekt des moralischen Urteilsverhaltens zeigt im Gegensatz zu Einstellungswerten, die sich nur auf einen Inhalt beziehen, starke Zusammenhänge mit den oben genannten Verhaltensweisen.

 

Basis dieser Theorielinie ist die Entwicklungstheorie von Jean Piaget. Dieser postulierte Stufen der kognitiven Entwicklung des Kindes (Piaget, 1973). Auf ihrer Grundlage formulierte er eine Stufentheorie der moralischen Entwicklung (Piaget, 1932). Piaget unterschied zwei Stufen moralischer Entwicklung: Heteronomie und Autonomie. Lawrence Kohlberg erweiterte Piagets Ansatz über die Entwicklung im Vor- und Grundschulalter hinaus und formulierte Stufen der moralischen Entwicklung, die sich bis ins Erwachsenenalter erstrecken. Auch Kohlberg (1964) betrachtete nicht moralisches Handeln, sondern moralisches Urteilen (bzw. Argumentieren). Sein Stufenmodell der Moralentwicklung unterscheidet insgesamt drei Entwicklungsniveaus mit jeweils zwei Stufen, insgesamt also sechs Entwicklungsschritte. Kohlbergs Forschung erbrachte die wichtige Erkenntnis, dass Moral eine Fähigkeit ist. Sein Messverfahren zur Messung von moralischer Urteilsfähigkeit, das Moral Judgment Interview (MJI), kann moralische Urteilsfähigkeit (kognitiver Aspekt, siehe Kapitel 2.1.1) jedoch nicht messen. Beim Moral Judgment Interview wird der Proband mit einem bestimmten moralischen Dilemma konfrontiert und gebeten sich für eine Handlungsalternative zu entscheiden. Die Befragten werden dann in einem offenen Interview gebeten ihre Entscheidung durch moralische Normen und Prinzipien zu begründen. Die Auswertung erfolgt durch das Standard Issue Moral Judgment Interview and Scoring System Standard, in dem die Antworten mit vorgegebenen Musterurteilen verglichen und den entsprechenden Stufen zugeordnet werden. Kohlberg behauptete, dass die Moral Judgment Interview (MJI) die Struktur des moralischen Urteils erfasst. Dies kann das Instrument jedoch nicht leisten, da kognitive und affektive Aspekte nicht unterschieden werden und somit der kognitive Aspekt mit dem affektiven Aspekt vermengt wird. Lind zeigte, dass das Moral Judgment Interview sich nicht auf Kohlbergs Theorie stützt und dem Anspruch theoretischer Validität nicht gerecht wird. Um moralische Urteilsfähigkeit valide erfassen zu können, muss ein Testinstrument Aufgaben enthalten, die für die Befragten tatsächlich eine moralische Aufgabe darstellen. Dies hält Kohlberg in seinem Instrument für gegeben und widmet sich dieser Frage daher nicht explizit. Um den affektiven und kognitiven Aspekt des moralischen Urteilsverhaltens erfassen zu können, muss gemessen werden, ob und wie stark eine befragte Person sich in der Diskussion über Probleme an moralischen Prinzipien orientiert. Das Ausmaß der Determination des individuellen Urteilsverhaltens durch moralische Orientierungen ist entscheidend für die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit (Lind 2008, S.82). Die Erfassung dieser Fähigkeit ermöglicht der Moralische-Urteils-Test (MUT), der von Lind 1979 konstruiert wurde. Im MUT wird gemessen an welchen moralischen Orientierungen sich die Befragten in ihrem Urteil orientieren (= affektiver Aspekt) und wie stark ihre Argumentationen bzw. Bewertungen von Argumenten von den selbstgewählten Prinzipien determiniert sind (= kognitiver Aspekt). Er ermöglicht, den affektiven und den kognitiven Aspekt moralischen Urteilsverhaltens simultan zu erfassen und diese beiden Aspekte getrennt voneinander auszuwerten.

 

 

2.1.1 Urteilsfähigkeit als Brücke zwischen Einstellung und Verhalten

 

Lind hat als einer der ersten den Begriffmoralische Urteilsfähigkeit als eine Brücke zwischen moralischen Einstellungen einerseits und moralischem Verhalten anderseits vorgeschlagen. Er definiert moralische Urteilskompetenz nach Kohlberg als „[…] das Vermögen, moralische Entscheidungen und Urteile zu treffen, die moralisch sind, also auf moralischen Prinzipien gründen und in Übereinstimmung mit diesen Urteilen zu handeln“ (Kohlberg, 1964, S. 425). Lind entwickelte die Zwei- Aspekte –Theorie des (moralischen) Verhaltens, die eine Erweiterung und Ergänzung von Kohlbergs Ansatz darstellt (Lind, 2002). Forschungsarbeiten, die sich auf die Zwei-Aspekte-Theorie stützen, ermöglichten zwei wichtige wissenschaftliche Entdeckungen. Erstens, moralische Prinzipien wie Gerechtigkeit und Hilfsbereitschaften existieren in fast allen Menschen, unabhängig von Geschlecht, Schicht oder Kultur (Lind 1985b). Zweitens die Fähigkeit, diese Prinzipien im eigenen Verhalten konsistent und differenziert anzuwenden, muss entwickelt werden. Das sieht man insbesondere im Verhalten von Kindern. Kinder benutzen die moralischen Prinzipien oft noch inkonsistent und undifferenziert und lernen erst im Lauf ihrer Entwicklung sich bei einer (moralischen) Entscheidung konsistent an ihren eigenen moralischen Prinzipien auszurichten. Lind (2003, S. 15) stellt fest: „Würde es allein nach unserem Wollen und Fühlen gehen, wären wir alle perfekt. […] Die meisten, wenn nicht gar alle Menschen reagieren empfindsam auf Ungerechtigkeit und Unmoral.“ Dies impliziert, dass moralische Einstellungen allein das Verhalten nicht gut erklären und Fähigkeiten dafür einen höheren Erklärungswert haben.

 

2.1.2 Die Zwei-Aspekte- Theorie von Lind

 

Die Zwei-Aspekte-Theorie“ von Lind geht von einer Untrennbarkeit der kognitiven und der affektiven Eigenschaften des moralischen Urteilsverhaltens aus. Diese Annahme beruht auf Piagets (1976) Erkenntnis, dass affektive und kognitive Aspekte des moralischen Verhaltens untrennbar, jedoch unterscheidbar sind. Die Zwei-Aspekte-Theorie unterscheidet sich vom Vier-Komponenten-Modell von Rest (1984). Im Vier-Komponenten Modell werden Affekt und Kognition als getrennte Ko>mponenten dargestellt, die durch inhaltlich verschiedene Verhaltensklassen repräsentiert werden. Ein moralisches Verhalten ist in diesem Model ein normenkonformes Verhalten, während in der Zwei-Aspekte Theorie ein moralisches Verhalten als Interaktion mit moralischen Situationen definiert wird, die durch bestimmte moralische Prinzipien und Fähigkeiten gekennzeichnet sind (Lind 2001). Rest stellt in seinem Vier-Komponenten- Modell der Entstehung moralischer Handlungen vier Phasen vor: 1. Moralische Sensibilität, d.h. die Interpretation der Situation im Hinblick darauf welche Auswirkung die verschiedenen Handlungsweisen für die Beteiligen haben, 2. Moralisches Urteil, d. h. die Beurteilung, welche Handlungsweise die moralisch richtige ist, 3. Moralische Motivation, d. h. die Entscheidung für das eigene Handeln durch Abwägen unterschiedlicher moralischer Werte und Motivationen zu fällen und, 4. Moralischer Charakter, d. h. das Durchhalten beim Lösen einer moralischen Aufgabe durch Ich-Stärke und Selbstkontrolle. Die Komponenten, die durch diese künstliche Trennung entstehen, versucht Rest empirisch durch unterschiedliche Messverfahren zu erfassen. In seinem Messverfahren zur Erfassung moralischen Urteils („Defining Issues Test [DIT])“ misst Rest wie konsistent (kognitiver Aspekt) eine Person postkonventionelle moralische Argumente bevorzugt (affektiver Aspekt). Ein hoher P-Score bildet somit auch Änderungen von moralischen Einstellungen ab. Was Rest „moralisches Urteil“ nennt, ist demzufolge die Präferenz für postkonventionelle moralische Prinzipien. Allein die Präferenz für postkonventionelle moralische Prinzipien ist nicht Ausdruck einer Fähigkeit sondern spiegelt lediglich eine bestimmte Einstellung wieder (Lind, 2003). Der DIT misst somit also keine Fähigkeit, sondern eine Einstellung. Nach Lind haben die Trennung der kognitiven und affektiven Eigenschaften des moralischen Urteilsverhalten dazu geführt, dass moralisches Verhalten nur als affektive Eigenschaft angesehen und erfasst werden kann. Deshalb spricht Lind in der Zwei-Aspekte Theorie von unterscheidbaren aber untrennbaren Aspekten. Die Zwei- Aspekte –Theorie ermöglicht ein adäquates Verständnis der Piaget-Kohlberg-These der affektiv-kognitiven Parallelität und ermöglicht deren empirische Überprüfung durch den MUT.

Der affektive Aspekt benennt das, was man als Einstellungen, Werthaltungen oder Orientierungen bezeichnet. Er ist definiert „als die im Verhalten sich zeigende, gefühlsmäßige Bindung an moralische Maximen, Regeln oder Prinzipien „und umfasst sehr einfache Gefühlen bis hin zu moralischen Motiven und Gerechtigkeitsvorstellungen (Lind, 2002, S. 45). „Nur wenn das Individuum eine affektive Bindung an moralische Prinzipien besitzt, ist es für die moralische Problematik einer Entscheidung sensibel und kann Hinweise auf die moralischen Implikationen seiner Handlung richtig verstehen. Ein Prozess der moralischen Reflexion kann nur in Gang kommen, wenn objektive moralische Konflikte auch subjektiv erlebt und verstanden werden“ (Lind, 2002, S. 48). Lind benennt die moralischen Orientierungen mit denen Kohlberg (1983; 1996) seine sechs Stufen beschreibt, als den affektiven Aspekt des moralischen Urteilsverhaltens. Die sechs Stufen sind: Stufe 1: Orientierung an Gehorsam und Strafe: Das Individuum orientiert sich an der Vermeidung eigener körperlicher Schäden und Verletzungen. Die Konsequenzen einer Handlung sind entscheidend dafür, ob sie als gut oder schlecht eingestuft wird. Stufe 2: Orientierung an instrumentellem Realismus: Das Individuum orientiert sich daran, Vorteile und Belohnungen zu erreichen und die eigenen und gelegentlich fremden Bedürfnisse zu befriedigen. Stufe 3: Orientierung an wechselseitigen Erwartungen und Beziehungen: Das Individuum orientiert sich an der Gewinnung von Anerkennung und der Vermeidung von Kritik. Moralisches Verhalten auf dieser Stufe bedeutet anderen zu helfen und sie zu erfreuen. Stufe 4: Orientierung an Gesetz und Ordnung: Das Individuum orientiert sich an sozialen Werten wie Gesetzen, Recht oder Pflicht. Es ist moralisch gut, die Pflichten zu erfüllen, die man übernommen hat. Stufe 5: Orientierung am sozialen Vertrag und gesellschaftlicher Nützlichkeit, aber auch an individuellen Rechten: Auf dieser Stufe wird die Relativierung gesellschaftlicher Regeln unter dem Aspekt der Nützlichkeit für übergeordnete Prinzipien bewusst wahrgenommen. Die Wichtigkeit der Gesetze für die Gesellschaft wird anerkannt. Gleichzeitig wird betont, dass diese nicht unabänderlich sind und dass es übergeordnete Werte, wie z. B. Freiheit gibt, die im Konfliktfall über dem positiven Recht (dem Gesetz) stehen. Stufe 6: Orientierung an universellen ethischen Prinzipien: Das Handeln basiert auf universellen Menschenrechten und selbstgewählten ethischen Prinzipien, wobei es sich nicht mehr um konkrete moralische Regeln, sondern um abstrakte Prinzipien wie Gerechtigkeit, Menschenrechte etc. handelt. Der kognitive Aspekt hingegen bezeichnet die Fähigkeit, moralische Einstellungen, Werte oder Orientierungen im Verhalten wirksam werden zu lassen. Der kognitive Aspekt lässt sich in Anlehnung an Piaget und Kohlberg in drei Phasen unterscheiden, die Phase der Imitation, der Heteronomie und der Autonomie. In der Phase moralischer Imitation, macht das Kind das moralische Verhalten von Bezugspersonen nach, ohne es richtig zu verstehen. Zwischen den moralischen Prinzipien und Handlungen besteht in dieser Phase keine innerliche Beziehung. In der heteronomen Phase haben die Regeln absolute Geltung. Es fehlt die kognitive Fähigkeit dazu, den Sinn von Regeln hinterfragen. Die heteronome Moral wird als kindliche Moral, -egozentrisch und subjektiv- gekennzeichnet. Denken und Verhalten tendieren in dieser Phase zu Rigidität, Dogmatismus und im Extremfall zu Fanatismus. Diese Phase weist eine Nähe zu stark dogmatisch-religiösem Denken auf. Auch für dogmatisch-religiöse Personen haben die Regeln, die durch religiöse, z. B. religiöse-schiitische Autoritäten, gesetzt worden sind, absolute Geltung. Dagegen sind die Personen, die die Phase der autonomen Moral erreicht haben in der Lage, selbst nach inneren Wertmaßstäben darüber zu entscheiden, was richtig und was falsch ist. Die Handlung erfolgt nachdem die unterschiedlichen Prinzipien wahrgenommen werden, nach denen sich eine Konfliktsituation auflösen lässt. Personen in der autonomen Phase sind im Falle eines Konflikts in der Lage differenziert zwischen ihnen zu entscheiden (hierarchische Integration).

 

Die Zwei-Aspekte-Theorie von Lind betont, dass für die Beschreibung (moralischen) Verhaltens auch kognitive Aspekte oder Fähigkeiten (insbesondere moralische Urteils- und Diskursfähigkeit) einbezogen werden müssen. Eine alleinige Betrachtung moralischer Affekte (Einstellungen, Gefühle, Werthaltungen, Motive) reicht ihr zufolge hierfür nicht aus. Auch weil sich Menschen bezüglich dieses sogenannten affektiven Aspekts kaum unterscheiden. Bezüglich des kognitiven Aspekts, der Fähigkeit moralische Werte situationsangemessen im Verhalten umzusetzen und die dabei eventuell auftretenden moralischen Konflikte zu lösen, gibt es jedoch große Unterschiede zwischen den Menschen (Lind, 2003). Bereits der Berliner Gerichtspsychiater Levy-Suhl (1912, zitiert in Lind, 2009a) zeigte in einer frühen Untersuchung, dass jugendliche Straftäter dieselben moralischen Werte haben wie nichtstraffällige Jugendliche und es also andere Gründe für unmoralisches oder delinquentes Verhalten geben müsse. Den jugendlichen Straftätern mangelte es nicht an moralischen Werten, eher waren sie nicht in der Lage, ihre eigenen Prinzipien mit ihrem Verhalten in Übereinstimmung zu bringen. Andere Studien bestätigen dies (Wischka, 1982; Hemmerling, in Vorb.). Ein moralisch reifes Urteil ist sowohl konsistent als auch differenziert. Es kommt hierbei darauf an, dass in Bezug auf moralische Prinzipien konsistent geurteilt, aber situativ angemessen gehandelt wird (Kohlberg, 1984). Moralisch konsistentes und differenziertes Verhalten in Bezug auf moralische Prinzipien ist nur bei den Personen anzutreffen, deren moralische Urteils- und Diskursfähigkeit hoch entwickelt ist. Eine hoch entwickelte moralische Urteilsfähigkeit bedeutet, dass moralische Prinzipien im Handeln verankert sind (Integration) und gleichzeitig notwendige Prozesse der Auflösung alter Verhaltensbindungen (Differenzierung), sowie die situativen Umstände und konkurrierenden Werte (hierarchische Integration) berücksichtigt werden. Die Zwei-Aspekte-Theorie postuliert, dass „kognitiver und affektiver Aspekt des moralischen Verhaltens eine Einheit bilden, und so theoretisch zwar unterschieden, methodisch jedoch nur an ein und demselben Verhaltensmuster erfasst werden können (methodologische Nicht-Separierbarkeit)“ (Lind, 2002, S.45). Dies hat zwei empirische Implikationen, die die Grundlage für die Validierung des MUT (siehe Methode) bilden. Die erste empirische Implikation ist die Korrelative Parallelität d.h., dass zwischen affektiven und kognitiven Aspekten des moralischen Handelns eine enge, positive Korrelation besteht. Dies wird von Studien untermauert, die zeigen konnten, dass Argumente höherer moralischer Orientierungen umso mehr akzeptiert und Argumente niedrigerer moralischen Orientierungen umso stärker abgelehnt werden, je höher die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit ist. Die zweite Implikation von Parallelität im Sinne von Entwicklungsparallelität bedeutet, dass der affektive und der kognitive Aspekt des moralischen Verhaltens in einem engen entwicklungspsychologischen Zusammenhang stehen. Die affektive Bindung an moralische Ideale ist dabei eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung der kognitiven Struktur des moralischen Verhaltens, d. h. die Integration, Differenzierung und Hierarchisierung des moralischen Urteils. Das bedeutet, dass der affektive Aspekt, also die moralischen Werte jedes einzelnen, dem aktuellen Verhalten eine Orientierung geben und längerfristig dazu beitragen, die kognitiven Strukturen zu entwickeln, die notwendig sind, um divergierende Orientierungen in die eigene Persönlichkeit zu integrieren und um situationsangemessen bzw. differenziert zu handeln.

 

2.2 Bildung als Voraussetzung für die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit

 

Bildung hat sich in vielen Studien als der wichtigste Faktor für die Moralentwicklung erwiesen (Kohlberg, 1958; Feldman 1969; Rest et al., 1991;1994; Smart 2008; Lind, 2002). Kohlberg war einer der ersten, der auf den positiven Einfluss von Bildungsprogrammen auf die Moralentwicklung hingewiesen hat. Er führte aber dennoch den Zusammenhang zwischen Bildung und Moralentwicklung auf die Wirkung des chronologischen Alters zurück (z. B. Kohlberg & Higgins, 1984). Die Re-Analyse von Kohlbergs Arbeiten (Lind, 1990, 2002) ergibt hohe Effektstärken der Bildungsniveaus, z. B. r = 0,65 [Kohlberg, 1958, S.102] und r = 0,71 [Candee, Graham & Kohlberg, 1978] und gibt Hinweise darauf, dass Bildungsprozesse die Moralentwicklung fördert. Rest (1979, S. 100) berichtete Effektstärke von r = .69. Auch hier zeigte sich ein hoher Zusammenhang zwischen Bildung und Moralentwicklung. Rest (1972, 1974) berichtet, dass Personen, die die Hochschule besuchten, doppelt so hohe Werte auf dem P-Score des DIT erzielten, wie solche, die keine Hochschule besucht haben. Weiterhin analysierte Rest (1986, 1990, 1993a) Daten von mehr als fünfzig Studien und stellte fest, dass die durchschnittlichen P-Scores um etwa zehn Punkte pro erreichtem formalem Bildungsabschluss stiegen. Die Ergebnisse der Analyse zeigten: Junior-High-Schoolstudierende hatten einen durchschnittlichen P-Score von 21,9, Studierende an höheren Schulen einen durchschnittlichen P-Score von 31,8, Universitätsstudierende einen durchschnittlichen P-Score von 42,3 und Hochschulabsolventen einen durchschnittlichen P-Score von 53,8. Rest schlussfolgerte, dass Alter und Bildung wichtige Faktoren der Moralentwicklung sind (zitiert in Rest, 1999). In einer späteren Studie stellten Rest und Thoma (1985) die Hypothese auf, dass die Erklärung für das Verhältnis zwischen Hochschulerfahrung und Moralentwicklung in den Eigenschaften der Personen liegen könnte, die sich dazu entscheiden zur Universität zu gehen, aber nicht in der Hochschulerfahrung selbst. Auf der Grundlage eines Interviewverfahrens, dass die Forscher mit Abiturienten durchführten, schlussfolgerten die Forscher, dass die individuellen Eigenschaften von Studierenden, die eine höhere Schulbildung verfolgen, ein fördernder Faktor der Moralentwicklung ist. Obwohl Pascarella und Terenzini (2005) ebenfalls feststellten, dass die Moralentwicklung nicht notwendigerweise mit der universitäre Bildung zu tun hat, weisen ihre Ergebnisse im Einklang mit den oben genannten Ergebnissen darauf hin, dass Bildung ein wichtiger Faktor für die moralische Entwicklung ist. Die Autoren fassen in ihrem Übersichtswerk „How college affects students“ Forschungsergebnisse zur Wirkung der formalen Bildung auf Studierende zusammen und schlussfolgern: „Consistent with our 1991 review, this synthesis indicates that postsecondary education has a broad range of enduring impacts. Attending college influences not only occupation and earnings, but also cognitive, moral and psychosocial characteristics, as well as values and attitudes and various indices of the quality of life” (Pascarella & Terenzini, 1991, p. 582). Im Rahmen der Zwei-Aspekte –Theorie des (moralischen) Verhaltens konnte der starke positive Einfluss von Bildungserfahrungen auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit schließlich extensiv empirisch belegt werden. Ende der 1970er Jahre wurden die Bildungseffekte im frühen Erwachsenenalter bei Abiturienten und Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen mit dem MUT untersucht. Die Befunde (Lind, 1979) zeigten deutlich, dass Abiturienten eine niedrigere moralische Urteils- und Diskursfähigkeit im Vergleich zu Hochschulabsolventen haben (C = 27,1 vs. 38,8). Wie Lind (vgl. auch 2000a) weiterhin zeigte, scheint die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Land und damit auch der Zugang zu einem bestimmten Bildungssystem für die moralische Entwicklung einen großen Unterschied auszumachen. Die Untersuchung von Portele (1982) bestätigt die Ergebnisse von Lind. Er untersuchte den Einfluss der Bildung auf die Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit, indem er Personengruppen mit unterschiedlichen Bildungsniveaus verglich. Er befragte Wissenschaftler (vom Assistenten bis zum Lehrstuhlinhaber) mit dem MUT. Wie sich zeigte, lösen sich diese bei der Beurteilung von moralischen Argumenten fast völlig von ihrer eigenen Meinung und zwar umso mehr, je höher ihre Bildung war.

 

Moralentwicklung in den oben genannten Studien meint nicht immer die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit. Einige der oben genannten Untersuchungen berichten Korrelationen von Bildung mit der Veränderung moralischer Orientierungen: Je länger der Bildungsweg der Untersuchungsteilnehmer war, desto größer war ihre Präferenz für postkonventionelle moralische Prinzipien (Nucci & Pascarella, 1987; King & Mayhew, 2002; Pascarella & Terenzini, 2005; Pascarella, 1991; Rest & Navarez, 1994). Lind (2002; 2008) erklärt dies vor allem mit der Annahme der korrelativen Parallelität, wonach moralische Orientierungen – unter bestimmten Bedingungen – stark mit der moralischen Urteilsfähigkeit korrelieren. Demnach handelt es sich hier um einen eher indirekten Effekt. Weiterhin wurde den Begriff der Moralentwicklung in den Studien uneinheitlich verwendet. Je nach zugrundeliegender Theorie wird etwas anderes unter Moralentwicklung verstanden. Die Unterschiede manifestieren sich in der je unterschiedlichen Beleuchtung der untersuchten Aspekte. Werden affektive, kognitive, oder beide Aspekte zusammen untersucht? Zur Begriffsklärung beleuchtet der folgende Abschnitt dieses methodische Problem jeweils im Licht der Bildungs-, Sozialisations- und Reifungstheorie.

 

 

2.2.1 Die Bildungstheorie der Moral

 

Die Bildungstheorie besagt, dass Bildung der stärkste Förderfaktor für die Entwicklung moralischer Fähigkeiten ist. Diese Fähigkeitsförderung kann prinzipiell überall stattfinden: in der Familie, im Freundeskreis und am Arbeitsplatz. Die günstigsten Voraussetzungen dafür bestehen jedoch in allgemeinbildenden Schulen. Dafür sollten Lerngelegenheiten für Verantwortungsübernahme und angeleitete Reflexion bereitgestellt werden. Wenn jedoch Schule oder Universitäten wenig oder gar keine Lerngelegenheiten für moralisch-demokratisches Lernen schaffen, kann die moralische Entwicklung der Schüler oder Studierenden stagnieren oder sogar zurückgehen, vor allem wenn erst ein geringes Niveau der Fähigkeiten erreicht wurde (vgl. Lind, 2002). Zahlreiche Studien haben diese Annahme bestätigt (Lind, 2000a, 2009a; Herberich, 1996; Schillinger, 2006; Lupu, 2009). Allen genannten Untersuchungen kommen zum Ergebnis, dass sich nicht jede Art von Bildung (im Sinne eines hohen Bildungsabschlusses) als förderlich für die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit erweist. Dazu ist nur Bildung in der Lage, die zumindest ein Minimum an Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexion bietet.

Nach der Bildungstheorie ist der demokratisch-diskursive Austausch eine weitere unverzichtbare Voraussetzung für die Förderung moralischer Urteils- und Diskursfähigkeit. Besonders wirksam sind hier gezielte didaktische Methoden wie die „Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion“ ([KMDD], Lind, 2009b). „[Die Analysen] legen den Schluss nahe, dass die moralische Urteilsfähigkeit des einzelnen kaum wirkungsvoller und adäquater gefördert werden kann, als durch eine pädagogische Stimulation in diskursiven Prozessen.“ (Lind, 2002, S. 195). Die Auseinandersetzung der Teilnehmer mit einem semi-realen edukativen Dilemma in der KMDD fördert die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit, indem es die Teilnehmer zu intensiven Überlegungen und zum Diskutieren anregt. Mit der Konstanzer Methode der Dilemmadiskussion (KMDD) kann ein Zuwachs der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit zwischen 5 und 15 C-Punkten (gemessen mit MUT) erreicht werden (Hemmerling et al. 2009; Lind, 2009b).

2.2.2 Bildung versus sozialer Druck

 

Bildung wird häufig mit „Sozialisation“ gleichgesetzt und damit als ein Prozess dargestellt, der durch sozialen Druck zustande kommt. Moralentwicklung wird hier somit als Ergebnis des sozialen Drucks erklärt, dem Studierende während des Studiums ausgesetzt sind. Demnach müsste die Moralentwicklung positiv mit der Länge der universitären Ausbildung korrelieren. Auch müsste die Moralentwicklung umso größer sein, je mehr Druck – zum Beispiel durch die Religionsgemeinschaft, der man angehört – besteht. Lind (2002) hat diese Sozialisationstheorie der Moralentwicklung eingehend untersucht und keine Bestätigung gefunden. Er konnte in einer Untersuchung 1977 in fünf Ländern (Deutschland, Österreich, Niederlande, Jugoslawien und Polen) mit unterschiedlicher Ideologie und sozio-strukturellen Besonderheiten zeigen, dass die kulturellen Unterschiede die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit (kognitiver Aspekt) beeinflussen. Dies galt jedoch nicht für die moralischen Orientierungen (affektiver Aspekt). In allen fünf Ländern wurden postkonventionelle moralische Orientierungen stark präferiert und präkonventionelle moralische Orientierungen abgelehnt. Im Gegensatz zu dieser Übereinstimmung bezüglich der moralischen Ideale, weicht die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit der Studierenden aus den fünf Ländern stark voneinander ab. Die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit der Studierenden aus Deutschland und Österreich war deutlicher höher als die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit der Studierenden aus Jugoslawien und Polen. Bei den polnischen Studierenden beispielsweise schienen ideologische, sowie religiöse Einflüsse Grund für die niedrige moralische Urteils- und Diskursfähigkeit zu sein. (Polen war trotz kommunistischer Herrschaft stark durch die katholische Religion geprägt.)

 

Einen ähnlichen Befund liefert die Untersuchung von Lupu (2009). Alle untersuchten Studierenden präferierten unabhängig von ihren religiösen Einstellungen die höchsten moralischen Orientierungen. Sehr-dogmatische Studierende hatten die gleichen moralischen Orientierungen wie wenig-dogmatische Studierende. Aber bezüglich der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit treten zwischen den Studierenden Unterschiede auf. Sehr-dogmatische Studierende hatten eine sehr niedrige moralische Urteils- und Diskursfähigkeit im Vergleich zu wenig-dogmatischen Studierenden. Um heraus zu finden, inwieweit Bildungseinflüsse oder kulturelle bzw. sozialisatorische Bedingungen ausschlaggebend für diese Unterschiede der Urteilsfähigkeit sind, wurden in der Untersuchung von Seitz (1991) bei einheimischen und Aussiedlerschüler (Abiturienten vs. Mittelstufe des Gymnasiums) in Deutschland die Effekte der Variablen Kultur und Bildungsniveau gegenübergestellt. Die Ergebnisse zeigten, dass unabhängig von den Kulturunterschieden, mit höherem Bildungsniveau die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit stieg. Der Befund stärkt die Annahme der Bildungstheorie, dass Bildungserfahrungen der entscheidende Faktor bei der Förderung des kognitiven Aspekts des moralischen Urteilsverhaltens sind, nicht kulturell-sozialisatorische Einflüsse. Die moralisch-demokratischen Kompetenzen lassen sich durch allgemeinbildende Maßnahmen fördern. Dies gilt unabhängig Werte- und Normensystem einer bestimmten Kultur oder Gesellschaft. Emler et. al. (1983) haben mit einem Experiment die Fähigkeitstheorie der Moral zu widerlegen bzw. die Sozialisationstheorie zu belegen versucht. Die Autoren sagten voraus, dass Menschen in der Lage sind, ein beliebiges Urteilsmuster zu simulieren, dass es also so etwas wie schwere und leichte moralische Urteile nicht gibt. Konkret versuchten sie ihre Hypothese nachzuweisen, indem sie Studierende mit rechten politischen Einstellungen instruierten, im vorgelegten DIT die Testwerte von Studierenden mit politisch linker Einstellung zu simulieren, während Linke das Antwortverhalten von Rechten simulieren sollten. Als erstes Ergebnis erhielten Studierende mit politisch rechter Einstellung niedrigere Werte als Studierende mit politisch linker Einstellung. Weiterhin konnten Rechte durch die Simulation deutlich höhere Testwerte erzielen. Natürlich konnten Linke niedrigere Testwerte simulieren. Ihre Ergebnisse ließen die Autoren schlussfolgern, dass das moralische Urteil keine Fähigkeit ist.

 

Die Re-Analyse der Ergebnisse von Emler et. al durch Lind (2002) mit dem MUT zeigte, dass nur der affektive Aspekt des moralischen Urteils simuliert werden kann, aber nicht der kognitive Aspekt. Die kognitive Dimension spielt somit für das moralische Urteilen eine sehr wichtige Rolle. Moralische Einstellungen sind simulierbar, doch moralische Fähigkeiten können nicht in jede beliebige Richtung verändert werden. Zwar kann man eine niedrigere moralische Urteilsfähigkeit vortäuschen, nicht aber eine höhere (Lind, 2002). Emler et al. (1983) haben nur den affektiven Aspekt des moralischen Urteilsverhaltens untersucht. Ihre Grundannahme - Affekt als Ursache des moralischen Urteilsverhaltens zu sehen- steht im Gegensatz zur Bildungstheorie. Nach der Bildungstheorie reichen sozialer Druck oder der Wunsch einer sozialen Gruppe anzugehören, allein nicht aus, um den Prozess der moralischen Entwicklung zu erklären. Auch Wasel (1994) unterstützt mit seinem Experiment die Bildungstheorie. Er unterteilte Versuchspersonen und ihre Arbeitspartner in einem Jugendheim in zwei Gruppen: eine Personengruppe mit hohem C-Wert, deren Arbeitspartner niedrige C-Werte hatten und eine Personengruppe mit niedrigem C-Wert, deren Arbeitspartner hohe C-Werte hatten. Er bat sie die Antworten ihres jeweiligen Partners zu simulieren. Während die Versuchspersonen mit einer hohen moralischen Urteilsfähigkeit dazu fähig waren, das Urteilsverhalten ihrer Partner mit niedrigeren C-Werten zu simulieren, konnten die Versuchspersonen mit niedriger moralischer Urteils- und Diskursfähigkeit das Urteilsverhalten ihrer Partner, die höhere Fähigkeiten als sie selbst hatten, nicht simulieren.

 

 

2.2.3 Bildung versus moralische Reifung

 

Nach der Reifungstheorie entfaltet sich die moralische Urteilsfähigkeit mit zunehmendem Alter quasi von alleine, praktisch ohne äußere Einflüsse. Das moralische Urteil wird hier als das Ergebnis eines genetisch gesteuerten Reifungsprozesses angesehen. Nach der Reifungstheorie korreliert die Moralentwicklung positiv mit ansteigender Semesterzahl. Demnach gibt es zwischen Alter und moralischer Urteilsfähigkeit eine höhere Korrelation als zwischen Semesterzahl und moralischer Urteilsfähigkeit. Die Bedeutung von Umweltfaktoren ist hier von geringer Bedeutung. Diese Umgebungsfaktoren kommen nur zu Geltung, wenn sie einen im Wesentlichen sich selbst regulierenden Prozess unterstützen oder behindern. Moral ist nach dieser Sichtweise im Menschen angelegt, und entwickelt sich von selbst in die gewünschte „gute“ Richtung. Die Rolle der Vererbung wird in dieser Theorie besonders betont. Die Gesellschaft ist allenfalls in der Lage, die Moralentwicklung zu beschleunigen oder zu behindern.

Die Reifungstheorie der Moral wird durch eine Reihe von Befunden wiederlegt: Erstens, die Reifungstheorie sagt eine hohe positive Korrelation zwischen Alter und Moralentwicklung voraus (Kohlberg et al. 1958,1984, 1984; Colby et al. 1987). Aber viele Studien haben auch stark negative Korrelationen gefunden. Die Untersuchung von Menthowski ,& Strait (1983) zeigt beispielsweise eine negative Korrelation zwischen Alter und Moralentwicklung (gemessen mit DIT), wobei sich zwischen dem P-Score und dem Bildungsniveau eine hohe Korrelation gab. Dortzbach (1975) stellte Menthowski ,& Strait Ergebnisse in Frage und untersuchte mit dem DIT das Verhältnis von Bildungsniveau, Alter und moralischem Urteil bei 120 Erwachsenen im Alter von 25 bis 74 Jahren. Das Ergebnis der Untersuchung zeigte, dass der P-Score mit steigender Ausbildung der Probanden zunahm. Der P-Score nahm jedoch ab, wenn die Probanden nach dem Alter gruppiert wurden. Dortzbach kommt zum Schluss, dass die Moral Entwicklung ein Ergebnis des Bildungsniveaus ist und nichts des Alters (zitiert in Nucci & Pascarella, 1987). Zweitens, nach Kohlbergs Postulat der invarianten Sequenz sollte es keine Umkehrung der Moralentwicklung geben. Lind (2000a; 2002) konnte jedoch zeigen, dass sich moralische Urteilsfähigkeit zurück entwickeln kann und widerlegte somit dieses zentrale Postulat von Kohlbergs Theorie. Das Regressionsphänomen wurde z. B. an Heranwachsenden zwischen 14 und 21 Jahren in Deutschland untersucht (Lind, 1990). Die untersuchten Personen hatten entweder die Real- oder Hauptschule besucht oder abgeschlossen und besuchten aktuell ein oder zwei Tage pro Woche die Berufsschule oder eine berufsvorbereitende Vollzeitschule. Die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit der Heranwachsenden nahm stetig ab, nachdem sie die Haupt- oder Realschule, und somit das allgemeinbildende Schulsystem, verlassen hatten. Die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit der Lehrlinge stieg bis zum 15.Lebensjahr und nahm vom 15. bis 19. Lebensjahr ab. Im Alter zwischen 19 und 20 Jahren, wenn die meisten der Befragten voll in das Berufsleben eingetreten sind, sinkt die moralische Urteilsfähigkeit nochmals stark ab. Lind nimmt an, dass das Regressionsphänomen moralischer Fähigkeiten durch einen Mangel an Lerngelegenheiten für Verantwortungsübernahme und angeleiteter Reflektion in eingeschränkten Bildungsangeboten zustande kommt. Diese Daten bestätigen somit die Bildungstheorie und widerlegen die Reifungstheorie.

 

2.2.4 Bildungsqualität: Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexion

 

Bildung ist einer der stärksten Einflussfaktoren für die Entwicklung moralischer Fähigkeiten. Dabei besteht aber nicht immer ein deutlicher Zusammenhang. In vielen Fällen ist sogar eine Regression moralischer Fähigkeiten trotz Bildung zu beobachten. Somit fördert nicht jede Art von Bildung die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit, sondern nur eine Bildung, die Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexionen bietet. Kohlberg weist darauf hin, dass „moral development is fundamentally a process of restructuring modes of role-taking and the more opportunities we find for taking the role of others, will accelerate the rate of moral development (1984, p.74-78)“. Kohlberg betont insbesondere den stimulierenden Wert von qualitativer Perspektivenübernahme, die direkte intellektuelle Herausforderungen, sowie jene Situationen einbezieht, in denen Rollen oder Perspektiven von anderen berücksichtigt werden. Als weniger bedeutsam wurde die quantitative Perspektivenübernahme, d. h. die Menge dieser stimulierenden Situationen, angesehen. Neben der Erfahrung zur Perspektivenübernahme in der Familie hat diesbezüglich die Gruppe der Gleichaltrigen (peer-group) eine zentrale Bedeutung. Der Schule als sozialen Erfahrungsraum hat Kohlberg einen besonderen Platz zugesprochen, da ihr Lernklima moralische Entwicklung fördert.

 

Sprinthalt et al. (1982,1993, 1994) haben im Lauf ihrer Forschungen im Rahmen von Lehrentwicklungsprogrammen die Definitionen von Mead (1934) und Kohlberg (1984) erweitert und ergänzt. Sie nannten fünf Bedingungen für moralisches Wachstum, eine a) qualitativ bedeutsame Verantwortungsübernahme, eine b) systematische angeleitete Reflexion, eine c) Gleichgewicht zwischen realen Handlungen und Reflexionen, die d) persönliche Unterstützung und Herausforderung und e) Kontinuität (der vorher genannten Bedingungen). Verantwortungsübernahme besteht hier in der aktiven Teilnahme an experimentellen oder realen Situationen. Aktivitäten der Verantwortungsübernahme fördern Selbst-Verständnis und das Verständnis von anderen. Wenn ein/e Student/in in eine neue Verantwortungsposition gestellt wird, wird sie/er dazu herausgefordert, erfolgreich zu sein. Zu erfahren, was seine/ihre Fähigkeiten, Beschränkungen, Vorlieben/Abneigungen sind, hilft ihm/ihr zu einem neuen Selbsterkenntnisniveau zu gelangen. Allerdings fördert die Verantwortungsübernahme ohne angeleitete Reflexionen nicht das moralische Wachstum.

 

Ohne angeleitete Reflexion durch Lehrer, Erzieher etc. konnte auf Erfahrung beruhendes Lernen hier keine Zunahme erbringen (Sprinthall, 1993; Sprinthall. et.al., 1982, Gaff & Gaff 1981; Exum, 1980; zitiert in Rest, 1994). Lehrer, Erzieher und Universitätsprofessoren haben aufgrund ihrer Reife und Sachkenntnis eine starke Wirkung auf das moralische Urteilswachstum. Sie unterstützen die Lernenden dabei verschiedene moralische Probleme, mit denen sie konfrontiert sind, zu überwinden. Sprinthall (1994) liefert Belege, dass Verantwortungsübernahme in Peer-Counseling, Tutorat, Lehrtätigkeit und/oder Kinderbetreuung in Begleitung von kontinuierlichen angeleiteten Reflexionen, wie z.B. dem Führen eines Tagebuchs oder dem Austausch von Meinungen, zu einer positiven Wirkung für die Ich- und Moralentwicklung führt. In den bisher zitierten Studien wurde ausnahmslos die affektive Seite der Moralentwicklung untersucht, also moralische Orientierungen oder Einstellungen. Vernachlässigt wurde die kognitive Seite des moralischen Verhaltens, also die Entwicklung der moralischen Fähigkeiten. Nach Linds Bildungstheorie (z. B. Lind, 2008) wirkt sich die Qualität der Bildung auf die moralischen Fähigkeiten aus, aber nicht oder kaum auf moralische Orientierungen oder Einstellungen. Damit moralisches Lernen stattfinden kann, müssen günstige Bedingungen vorliegen, vor allem Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexion. Eine Konfrontation mit Aufgaben und Problemen ohne Hilfe und Beratung kann zur Überförderung führen und das Lernen verhindern. Umgekehrt können Hilfe und Unterstützungen ohne eine herausforderende Aufgabe dazu führen, dass sich das Individuum gelangweilt und ineffektiv fühlt. Dadurch kann es die Motivation zum Lernen verlieren (Lind, 2001). Herberich (1996), Lind (2000), Schilliger (2006), Comunian et. al. (2006) und Lupu (2009) überprüften diese Annahme in ihren Untersuchungen. Sie konnten zeigen, dass die Qualität der Lernumwelt ein wichtiger Faktor für die Moralentwicklung ist: Herberich (1996) stellte fest, dass Studierende, die von Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexionen berichteten, eine Zunahme der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit von ungefähr 8 Punkten im Studienverlauf zeigten.

 

Schillinger (2006) konnte in ihrer Untersuchung in Brasilien, Deutschland und der Schweiz zeigen, dass eine hohe Bildungsqualität die Regression der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit der Studierenden verhindert. Dagegen geht die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit der Studierenden in einer „niedrige Bildungsqualität“, d. h. einer Lernumgebung in der Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme fehlen, zurück. Die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit der brasilianischen Studierenden bildete sich in dieser Untersuchung um 10,5 Punkte und die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit der deutschen und schweizerischen Studierenden um 13 Punkte zurück. In der Untersuchung von Comunian et. al. (2007) wurde bei Studierenden in Italien, die in einer Experimentalgruppe Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexionen bekommen hatten, eine Zunahme der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit von 8,3 Punkten verzeichnet. Lupu (2009) fand gleiche Befunde für rumänische Studierende. Der Zuwachs der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit war bei rumänischen Studierenden 5,9 Punkte im Studienverlauf. Diese Forschungsergebnisse lassen vermuten, dass derartigen Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme alle in eine ähnliche Richtung wirken: Sie bringen weniger ein bestimmtes Wertsystem hervor, als dass sie die Moralentwicklung stimulieren. Das wesentliche Element für diese Entwicklung sind Gelegenheiten zur Übernahme von wirklicher sozialer Verantwortung und beruflichen Rollen unter der Supervision von Erwachsenen.

 

 

2.2.5 Die Qualität der Bildung an iranischen Universitäten

 

Die Bildung im Iran ist beeinflusst vom herrschenden religiösen Glauben in diesem Land. Denn Religion wird hier als Grundprinzip der Bildung angesehen. Dabei existieren beide nicht nebeneinander, sondern vielmehr werden sie von ihrer Verbindlichkeit her bestimmt: Religion wird als Bedingung für Bildung, die einen hohen Stellenwert hat, vorausgesetzt.

Das iranische Schulsystem basiert auf dem amerikanischen und französischen Schulsystem. Nach einer fünfjährigen Grundschulausbildung wechseln die Schüler auf die untere Sekundarschule (3 Jahre) und dann auf die allgemein bildende Oberstufe (3 Jahre). Nach jedem Abschnitt gibt es eine Abschlussprüfung, deren Bestehen den Zugang zur nächsten Schule ermöglicht. Am Ende der dreijährigen allgemein bildenden Oberstufe steht erneut ein Examen, an das sich ein einjähriger Vorbereitungskurs für die Universität anschließt. Das Abitur ist die Voraussetzung für die Zulassung zur Universitätsaufnahmeprüfung. Um ein Studium an der Universität aufzunehmen, müssen die Absolventen der Oberstufe den alljährlichen Auswahltest konkur bestehen. Der Auswahltest bzw. die Aufnahmeprüfung ist das wichtigste Kriterium für die Auswahl der Studierenden. Eine zentralisierte landesweite Aufnahmeprüfung für die kompetitiven (staatlichen) Universitäten findet jedes Jahr im Juni statt. Die Aufnahmeprüfung ist eine umfassende 4,5 Stunden dauernde Multiple-Choice-Prüfung, die alle Fächer von Mathematik und Naturwissenschaften bis Religion und Fremdsprachen umfasst. Die Vergabe der staatlich finanzierten Studienplätze an den kompetitiven Universitäten erfolgt nicht nur durch akademische Prüfung der High-School-Absolventen, sondern auch durch die Überprüfung ihres sozialen und politischen Hintergrunds und ihrer Loyalität gegenüber der islamischen Regierung. Die wenig-kompetitiven Universitäten (private Universitäten) haben eine separate Aufnahmeprüfung. Der Wettbewerb ist hart, die Prüfungsinhalte streng, und die Plätze an den Universitäten beschränkt. Die Aufnahmeprüfung, vor allem die von den kompetitiven Universitäten, ist so streng, dass sich Studierende in der Regel ein Jahr darauf vorbereiten. Der Iran besitzt über 30 staatliche (kompetitive) Hochschule. Diese sind gebührenfrei. Zusätzlich zum staatlichen (kompetitiven) Hochschulsystem gibt es im Iran noch ein privates (wenig-kompetitives) Hochschulsystem, welches aus Theologie-Hochschulen und der Freien Islamischen Universität besteht, die seit ihrer Gründung in den späten 80er Jahren des letzten Jahrhunderts Universitätsgelände in Städten des ganzen Landes entstehen ließ. Darunter sind medizinische Fakultäten und spezielle Hochschulen, die Unterricht in Lehrmethoden, Landwirtschaft und anderen Fächern anbieten. Im Gegensatz zu den kompetitiven Universitäten, die keine Gebühren verlangen, verlangen die wenig-kompetitiven Universitäten hohe Gebühren und verwalteten ihre eigenen Aufnahmeprüfungen. Diese sind der Konkur ähnlich, wenngleich etwas weniger streng. Die Standards für das Studium im Iran sind unterschiedlich. Die kompetitiven Universitäten haben einen guten Standard bei der Vermittlung von fachlichem Wissen. Das ist bei wenig-kompetitiven Universitäten nicht der Fall. Trotzdem sind die Studienbewerber bereit die hohe Gebühr der wenig-kompetitiven Universitäten zu bezahlen, um sich nach der Graduierung einen höheren Status in der Gesellschaft zu ermöglichen.

 

Teheran dient als Zentrum für höhere Bildung, mit mehr als 15 Universitäten und mehreren Akademien und Instituten. Andere wichtige Universitäten gibt es in Mashhad, Hamedan, Esfahan, Shiraz und Tabriz. Teheran als Hauptstadt bittet unterschiedliche Möglichkeiten zur Freizeitorganisation, sowie die Möglichkeit eigenen Interessen nach zu gehen und sich zu entfalten. Dadurch bittet Teheran eine ganz anderes Lernklima zur persönlichen, sowie moralischen Entwicklung im Vergleich zu anderen universitäre Städten, z. B. gegenüber der Stadt Mashhad, die sehr religiös geprägt ist, da sich die wichtigste religiöse Pilgerstätte des Landes dort befindet. Die Lehrpläne werden an kompetitiven und wenig-kompetitiven Universitäten für jedes Semester schon vor dem Studienbeginn festgelegt. Die Studierenden müssen sich daran halten. Am Ende jedes Semesters müssen in jedem Fach Klausuren absolviert werden. Den Abschluss bildet eine Diplomarbeit. Nach der islamischen Revolution 1979 wurden die Lehrpläne stark islamisiert und streng an den religiösen Prinzipien der herrschenden islamischen Lehre ausgerichtet. Die Aufgabe der Dozenten besteht darin, die Studierenden im Sinne des Islams zu erziehen. Sie müssen versuchen ausschließlich religiöse Werte zu vermitteln. Einen öffentlichen Diskurs darüber, wie man in moralischen Konfliktfällen handeln soll, gib es in den Bildungsinstitutionen nicht, noch wird er von der Gesellschaft positiv bewertet. Bildung besteht im Iran der Mullahs also vor allem aus Druck im Sinne der Sozialisationstheorie. Die iranischen Studierenden sollen durch Druck dazu gebracht werden, bestimmte moralisch-religiöse Orientierungen zu übernehmen. Iranische Studierende sollten lernen Gehorsam zu sein, einerseits gegenüber den im Koran festgelegten Vorschriften und Gesetzen, andererseits gegenüber dem islamischen Führer, der stellvertretend für den Propheten im Sinne Gottes regiert. Die Bereitstellungen von Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme sieht dieses Bildungssystem nicht vor. Somit mangelt es an den Hochschulen im Iran an einer wichtigen Bedingung für die Entwicklung moralisch-demokratischer Fähigkeiten, nämlich an einer Lernumwelt, die auf Demokratie basiert und Studierende motiviert, frei zu denken und zu entscheiden.

 

 

2.3 Die Rolle der Religion bei der Moralentwicklung

Die Rolle der Religion bei der Moralentwicklung ist je nach religiöse Perspektive unterschiedlich: Je nach dem ob es sich um eine orthodoxe/fundamentalistische/konservative oder um eine progressive/liberale Perspektive handelt (Flower 1991, Fromm 1950; Hunter 1991; Kecskes et al. 1995; Narvaez et al. 1998). In der bereits erwähnten Studie von Lupu (2009) wurden deutliche Hinweise gefunden, dass persönliche Religiosität mit ihrer liberalen Perspektive einen förderlichen Einfluss auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit hat, und dass dagegen eine dogmatische Religiosität mit ihrer konservativen Perspektive diesen förderlichen Effekt eher hemmt. Diese Untersuchung bestätigt die Annahme, dass jede Perspektive mit ihrer eigenen Ansicht von der Welt und von moralischen Problemen die Moralentwicklung unterschiedlich beeinflusst. Aus der progressiven Perspektive hat jeder Mensch unmittelbaren Zugang zu Gott. Der Mensch wird hier als ein Individuum betrachtet, das in der Lage ist, dem Wahrheitsgehalt jeder Erkenntnis und jedes Glaubens selbst zu überprüfen und für sich zu beantworten. Das Individuum ist talentiert und hat die Fähigkeit dazu eigenständig zu denken und ein direktes Gespräch mit Gott zu führen. Dementsprechend ist es Progressiven möglich, eigene moralische Ansichten zu entwickeln, die interindividuell variieren können. Im Gegensatz dazu vertritt religiöse Orthodoxie die Ansicht, dass die Quelle für moralische Prinzipien die Religion und ihre heiligen Schriften sind. Diese sind nicht veränderbar und für alle Zeiten von einem transzendenten Wesen offenbart. Die orthodoxe Sichtweise verweigert dem einzelnen Gläubigen einen direkten Zugang zu Gott. Dieser kann nur mittelbar durch bestimmte, wenige Personen (eingeweihte bzw. Angehörige des Klerus) erfolgen. Der Einzelne soll sich also kein eigenes Urteil über richtig und falsch bilden und nicht über die Lösung moralischer Probleme nachdenken. Das machen andere für ihn. Somit hat der Einzelne auch keine Möglichkeit die Fähigkeit zum moralischen Urteilen und Konfliktlösen zu entwickeln. Aus dieser Unmündigkeit könnte, wie Kant es formuliert hat, eine Unfähigkeit resultieren. Lind (2003) konnte empirisch bestätigen, dass orthodoxe Glaubenssysteme sich hemmend auf die moralische Entwicklung auswirken. Sein Fazit: „Wenn die Macht der Religion über Denken so groß ist, wagen sich die Menschen dort nicht, über Dinge nachzudenken, zu der die Religion eine ausgesprochene Meinung hat“ (Lind, 2003, S. 48). Man kann daher vermuten: Wo die Fähigkeit zum moralischen Urteilen und Argumentieren nicht gefordert wird, verkümmert sie. Eine bestimmte Form von Religiosität, nämlich eine orthodoxe oder dogmatische Religiosität, wird sich entwicklungshemmend oder sogar regredierend auf die moralische Urteilsfähigkeit auswirken. Es muss offen bleiben, ob man diese Vermutung auf alle Formen der Religiosität generalisieren kann.

 

 

2.3.1 Formen der Religiosität

 

In der Forschung wird meist davon ausgegangen, dass Religiosität etwas Einheitliches ist (Thurstone & Chave 1929). Im Gegensatz dazu zeigen viele Studien, dass Religiosität vielgestaltig und mehrdimensional ist (z. B. Duriez & Soenens, 2006, Lupu 2009) und dass darunter oft sehr verschiedene Dinge verstanden werden oder verstanden werden sollten (Brady et al., 1999; Oser & Reich, 1996). Die Forschungen zeigten, dass Religiosität aus mehreren Aspekten oder Dimensionen besteht und verschiedene Arten von Religiosität sich unterschiedlich auf die Moralentwicklung auswirken. Utsch (1998) legte beispielsweise eine Synopse von 20 verschiedenen religionspsychologischen Theorien vor, die sich alle bezüglich theoretischem Hintergrund, Forschungsgegenstand, Forschungszielen, bzw. -methode und Menschenbild unterscheiden. Einer der ersten, der zwischen zwei Arten der Religiosität unterschieden hat, war Allport (1976). Er fokussierte in seiner persönlichkeitspsychologischen Theorie auf die motivationale Verankerung von Religiosität. Dabei unterschied er zwischen intrinsischer religiöser Orientierung als engagierter Religiosität und extrinsischer religiöser Orientierung als nicht-engagierter Religiosität. Intrinsische Religiosität basiere auf religiöser Überzeugung, die eine zentrale Bedeutung für die gesamte Lebenseinstellung bildet. Personen mit einer intrinsischen Religiosität haben religiöse Werte und Vorstellungen tief verankert. Sie praktizieren und leben die Religion aus Überzeugung. Demgegenüber basiere extrinsische Religiosität auf Motiven, die außerhalb der Religiosität liegen, wie Sozialprestige, gesellschaftliche Beziehungen, Sicherheit und Trost. Der extrinsisch religiöse Mensch hat ein selbstsüchtiges, zweckbestimmtes, instrumentelles Verhältnis zur Religion. Er neigt dazu, Religion instrumentell zu gebrauchen, um Ziele zu erreichen, die außerhalb religiöser Bedürfnisse liegen und mit dem Glauben an sich nichts zu tun haben. Der Soziologe Glock (1969) betrachtet Religiosität als commitment, das sich auf verschiedene Dimensionen beziehen kann. Er benennt fünf Formen des religiösen Erlebens und Verhaltens: religiöser Glaube, religiöse Erfahrung, religiöses Wissen, religiöse Praxis und schließlich die intellektuelle Dimension, die sich auf die kognitive Beschäftigung mit religiösen Inhalten bezieht (zitiert in Huber, 2003).

 

In Anlehnung an Glock versuchte Boss-Nünning (1972) die Religiosität mehrdimensional zu erfassen. Boos-Nüning (1972) versteht unter Religiosität: „eine Attitüde des Menschen, die sich auf institutionalisierte Werte, Normen und Symbole richtet und über die bei den Menschen, deren Religiosität erforscht wird, ein gewisser Konsensus herrscht oder deren Ausdrucksformen zusammen als religiös empfunden werden. Dazu gehören dann auch die Praktiken und Normen, welche die religiöse Institution als verbindlich setzt und die ein religiöser Mensch für sich persönlich als verbindlich akzeptiert. Religiosität kann sich im Glauben, Fühlen oder Handeln äußern. Die Zustimmung zu dem Glauben- und Handlungssystem der Kirche, wenn und soweit dieses von den betroffenen Menschen akzeptiert wird, bildet die Grundlage der so verstandenen Religiosität“ (Boss-Nünning, 1972, S. 23). Sie operationalisierte die Religiosität in Anlehnung an die fünf Dimensionen von Glock wie folgt: 1. Ritualistic dimension, d. h. die öffentliche und private religiöse Praxis unter dem Aspekt des Ritualismus. Diese zeigt sich in der Ausübung der religiösen Erfahrung des Menschen., 2. Ideological dimension, d. h. die Zustimmung zu kirchlichen Glaubenssätzen und Dogmen. Diese zeigt sich in der Zustimmung und dem Bekenntnis zu grundlegenden Glaubensaussagen einer Religion., 3. Intellectual dimension bezieht sich auf die Erfahrung der Religion als Sinngebung des Lebens und auf Kenntnisse und Wissen über die Inhalte von religiösen Glaubenssätzen., 4. Experiential dimension, d. h. die Dimension der religiösen Erfahrung. Diese ist eher eine individuelle Religiosität und drückt sich in den Formen Bedürfnis, Erkennen, Vertrauen auf göttliche Nähe oder auch in der Furcht vor Gott aus., 5. Consequential dimension, d. h. die Dimension der Konsequenzen der religiösen Überzeugungen und Erfahrungen. Diese richtet sich auf die säkularen Folgen des religiösen Glaubens aus.

 

Zu diesen fünf Dimensionen fügte Boss-Nünning zwei weitere Dimensionen hinzu, die Bindung an die Pfarrgemeinde und das Image der Kirche und untersuchte die sieben Dimensionen bei Katholiken einer Großstadt in Deutschland. Sie hat in ihrer Untersuchung festgestellt, dass die erstgenannten fünf Dimensionen nicht unabhängig voneinander bestehen. Die fünf Dimensionen können unter zwei Dimensionen Allgemeiner Religiosität und religiös-kirchlichem Wissen erfasst werden. Die Forschungen zeigten, dass Religiosität aus mehreren Aspekten oder Dimensionen besteht, die untereinander aber teilweise starke Korrelationen aufweisen, also wohl eher zusammenhängende Aspekte einer allgemeinen Religiosität und kaum bedeutsame Unterschiede erfassen. Lupu (2009) schlägt in diesem Zusammenhang eine wichtige Unterscheidung zwischen zwei Arten von Religiosität vor. Sie trennt persönliche und dogmatische Religiosität, die sich auch ganz verschieden auf die Moralentwicklung auswirken. Dies zwei unterschiedliche Arten der Religiosität betonen je verschiedene Aspekte von Religiosität: Die persönliche Religiosität betont eine Religiosität, die aus eigenen Überzeugungen und Erfahrung entsteht (im heutigen Sprachgebrauch wird diese Art von Religiosität auch mit dem Begriff Spiritualität bezeichnet). Die dogmatische Religiosität betont die Bindung an die gesellschaftlichen Formen der Religion, wie die Erfüllung der öffentlichen religiösen Praxis, vor allem des Kirchbesuchs. Sie bezeichnet die Bindung an das Religiöse, das durch Autorität(sgläubigkeit) entsteht: durch das Annehmen von Lehrsätzen und durch Ausübung von Gehorsam, Anbetung und Buße (Lupu, 2009) In der vorliegenden Untersuchung wird Religiosität auf eine kulturell geprägte Religiosität in einem muslimisch - iranischen Kontext bezogen. Deshalb werden mögliche Formen der Religiosität, wie die persönliche Religiosität, die sich außerhalb des schiitischen Glaubens orientieren, nicht berücksichtigt. Bezüglich der Religiositätsformen ist in diesem Kontext nur die dogmatische Religiosität von Bedeutung. Die Grundzüge des Dogmatismus haben große Gemeinsamkeiten mit den dogmatisch vorgegebenen Vorschriften im Schiitischen Glauben und sind im Wesentlichen mit ihnen identisch.

 

 

2.3.2 Dogmatische Religiosität

 

Unter dogmatischer Religiosität versteht man ein geschlossenes Denk- und Überzeugungssystem eines Menschen. Diese Denkweise führt zur Verdrängung der Gemeinsamkeiten zwischen der eigene Ansicht und der abweichenden Meinung. Ansichten oder Personen, die nicht mit der eigenen Meinung übereinstimmen, werden übersehen, verzerrt und negativ bewertet. Ein dogmatisch Denkender ist voreingenommen, intolerant und unnachgiebig bei der Verteidigung der eigenen Meinung. Er verschließt sich vor unbekannten Ideen und Personen und sucht Schutz bei Gleichgesinnten und Autoritäten. Inkonsistentes und stereotypes Denken ist eine Eigenschaft dogmatischer Personen.

 

Der Mechanismus von Dogmatismus beruht darauf, dass Personen sich gegenseitig aufgrund der Einstellungen, die sie haben, bewerten, z. B. werden Menschen mit einer gleichen Einstellung, die sich „auf der gleichen Welle“ bewegen Anerkennung und Zuneigung bekommen. Demgegenüber werden Menschen mit gegensätzlicher Einstellung abgelehnt. Dogmatismus steht in engem Zusammenhang mit dem orthodoxen Glaubenssystem, dass sich durch Geschlossenheit auszeichnet. Die Interaktion zwischen einem persönlichen kognitiven System und einer institutionell-orthodox orientierten Umgebung führt zur Entwicklung eines einfältigen und dogmatischen Glaubens (McNeel, 1994, McNeel & Thorsen, 1985). Ein dogmatischer Gläubiger ist nur in geringem Umfang in der Lage, neue Informationen aufzunehmen und objektiv zu bewerten. Stattdessen orientiert sich ihre Wahrnehmung an vorgefassten Meinungen und insbesondere an Normen und Autoritäten (Rokeach 1960). Rokeach (1954), Boss-Nünning (1972) und Wahrman (1981) fanden einen positiven Zusammengang zwischen Dogmatismus und kirchlicher Religiosität. Rokeach (1954) fand keine Unterschiede zwischen verschiedenen Konfessionen bezüglich Dogmatismus. Katholiken waren ebenso tolerant wie Protestanten. Boos-Nünning (1972) stellte aber fest, dass Katholiken im Vergleich zu Protestanten dogmatischer waren. Rokeach’s Untersuchung zeigte 1. dass Dogmatismus mit steigender Schulbildung abnimmt und 2. dass Personen aus niedrigen sozialen Schichten eher zu Dogmatismus neigen als Personen aus hohen sozialen Schichten. Die Untersuchung von Lupu (2009) hat gezeigt, dass dogmatische Religiosität einen negativen Einfluss auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit hat. Personen mit hoher dogmatischer Religiosität hatten eine niedrigere moralische Urteils- und Diskursfähigkeit, als Personen mit einer geringen dogmatischen Religiosität. Im Kontrast hierzu hatte eine persönliche Religiosität keinen Einfluss auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit. Inwiefern die Entwicklung der Moral im religiösen Kontext möglich ist und ob Religiosität in der modernen Gesellschaft einen verzichtbaren oder doch notwendigen Beitrag zur Moralentwicklung leisten kann, wird im nächsten Kapitel dargestellt.

 

2.3.3 Fördert oder hemmt religiöse Bindung die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit?

 

Religion wird oft als eng verbunden mit Moral verstanden. Vielen erscheint es als schwierig religiöses Denken überhaupt von moralischem Denken zu trennen (King, 2003). Viele Untersuchungen bestätigten auch den fördernden Einfluss von Religiosität auf die Moralentwicklung (z. B. Hill, 2002; Walker & Reimer, 2006; Wohlrab-Sahr, 2006). Sie geben Hinweise darauf, dass Moral und Religiosität eng verbunden sind und dass Religiosität eine entscheidende Funktion für die Moralentwicklung hat. Religionen haben nachweislich einen deutlichen Einfluss auf die ethisch-moralischen Vorstellungen der Menschen. Daher ist der Kontextunabhängigkeit von Religiosität und Moral auch nicht vorbehaltlos zuzustimmen (Wohlrab-Sahr, 2006). Religion hat viel über Moral zu sagen und viele würden glauben, dass Religion ein enormes Potenzial hat die Welt zu verbessern, indem sie ein ethisches System liefert, dass uns allen nutzt. Luther, Ajatollah Khomeini und der gegenwärtige Führer des Iran, Ajatollah Chamenei, sehen Religiosität als wahre Quelle moralischen Verhaltens, da die göttlichen Gebote die einzig wahren moralischen Gebote sind. King (2003) sieht die Rolle der Religion als eine soziale Ressource für die Entwicklung des Charakters von Jugendlichen an. Nach seiner Auffassung hat Religiosität nicht nur mit Wohlbefinden zu tun. Vielmehr helfen religiöse Aktivitäten den Menschen mehr prosoziales und weniger gewalttätiges Verhalten zu zeigen, als es ihre weniger religiösen oder religionslosen Mitmenschen tun.

 

Der Soziologe Durkheim (2007) betont die zentrale Rolle von Religion im sozialen Leben. Er setzt Religion und Moral gleich, bezeichnet religiöse Symbole als Symbole der Sozialgruppe und behauptet, dass die heilige Welt und die soziale Welt identisch sind. „Religion ist ein solidarisches System von Überzeugungen und Praktiken, dass sich auf heilige, d. h. abgesonderte und verbotene Dinge, Überzeugungen und Praktiken bezieht, die in einer und derselben moralischen Gemeinschaft, die man Kirche nennt, alle vereinen, die ihr angehören“ (Durkheim, 2007, S. 75). Daraus ergeben sich drei Aspekte von Religion: die Glaubensüberzeugungen, die Praktiken und die Gemeinschaft, auf die diese Überzeugungen und Praktiken bezogen sind. In diesem Sinne sorgt Religion für eine gesellschaftliche Moral und diese wiederrum für gesellschaftsweite Ordnung, Solidarität und Handlungskoordination.

 

Die positive Funktion der Religion in der Gesellschaft betonen auch Pawlow und Malinowski (zitiert in Grom, 1992). Pawlow sieht die Religion als einen tief verwurzelten Instinkt im Menschen, d. h. als einen unkonditionierten Reflex (Reaktion) an, der aus dem Daseinskampf der menschlichen Spezies entstand. Dieser Instinkt hat eine schützende Funktion für den Überlebenskampf in der unbarmherzigen Natur. Die Tendenz zur Religion wird nach Pawlow von Generation zu Generation weitervererbt. Jedoch wird sie nur bei Menschen mit einem schwachen Nervensystem ausgelöst, wenn sie mit den Anforderungen ihres Lebens nicht mehr zurechtkommen. Malinowski betont die Funktion der Religion bei der Überwindung der Todesangst. Dies tut sie, indem sie Hoffnung auf Unsterblichkeit stiftet. Religion hilft den Menschen die Todesangst durch Glauben und Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod zur überwinden bzw. ihre Trauer und den Verlust geliebter Menschen zu bewältigen. Andere gehen dagegen von der Annahme aus, dass Religion keine Vorbedingungen für Moral ist. Vertreter dieser Auffassung verweisen darauf, dass Kinder schon in der frühesten Jugend religiöse und moralische Regeln unterscheiden können. Die religiösen Regeln befinden sie als von Gott, sowie von der jeweiligen Gesellschaft bestimmt. Moralische Regeln sind dagegen universell und von Gottes Gebot unabhängig (Nucci & Lee, 1993; Nunner-Winkler & Edelstein, 1996, 2000). Singer (1994) argumentierte, dass auch Menschen, die keinem Glaubensbekenntnis angehören und keine religiöse Praxis verfolgen, durchaus dazu fähig sind moralisch zu handeln. Nunner-Winkler (2001) argumentiert, dass sich Religion hauptsächlich mit den Dingen befasst, die Menschen prinzipiell entzogen sind und von ihnen nicht beeinflusst werden können. Moral basiert stattdessen eher auf einer guten Regelung „sozialer Kooperationszusammenhänge“. In einer Befragung stellte die Autorin fest, dass Menschen selten einen Zusammenhang zwischen Moral und religiösen Bezügen finden und dass diese nicht zur Behebung moralischer Probleme beitragen (Nunner-Winkler, 2000).

 

Freud (1928), Kehrer & Günter (1976) und Tylor (1958) (zitiert in Gladigow, 1976) vertreten die Sichtweise, dass Religion nicht nur für moralisches Handeln verzichtbar ist, eher stellt sie sogar ein Hindernis dafür dar. Für Freud (1928) ist Religion ein blinder Glaube, der ein Denkverbot erteilt. Der Glaube führt zur Regression in eine idealisierte Vatervorstellung, die sich der Mensch zur Abwehr seiner Ängste aufbaut und in der er diese Vorstellung vom schützenden (und gesetzgebenden) Vater auf unbekannte Mächte projiziert. Kohlberg et. al. (1981) vertreten ebenfalls die These, dass Moralentwicklung von Religion unabhängig ist. „No difference in moral development due to religious belief has yet been found“(Kohlberg, 1981, p. 303). Die Autoren erkannten den Einfluss von Religion und kulturellen Werten auf gewisse moralische Themen an, meinten aber, dass Religion eine Frage nach Sinn ist, die keine Rolle für die Struktur moralischen Verhaltens spielt. Diese Sichtweise scheint sich auch in den Studien von Kehrer & Günter (1976) und Tylor (1958) zu bestätigen. Die Autoren kommen zum Schluss, dass religiöse Überzeugungen die Geschwindigkeit, mit der das Individuum auf einer Stufe der moralischen Orientierungen voranschreitet, beeinflussen können. Die Beeinflussung der Geschwindigkeit schließt die Möglichkeiten ein, dass ein Individuum auf einer bestimmten Stufe der moralischen Orientierungen stehen bleibt und sich nicht mehr weiter entwickelt. Richards (1991) konnte in einer Übersichtsdarstellung verschiedener Studien (gemessen mit MJI), die den Einfluss konservativer religiöser Einstellungen auf die Moralentwicklung darstellten, zeigen, dass sich Angehörige konservativer Glaubensrichtungen auf niedrigeren Stufen der moralischen Orientierungen befanden als liberalere Gläubige oder konfessionslose Probanden. Clouse (1985) zeigte ebenfalls, dass die Möglichkeit zur Erreichung höherer Stufen der moralischen Orientierungen bei konservativen christlichen Universitätsstudenten viel geringer ist als bei religiös liberalen Studenten. In einer Untersuchung mit dem MJI bei College-Studenten von Haan, Smith & Block (1968) stellte sich heraus, dass Agnostiker und Konfessionslose häufiger den Stufen 5 und 6 der moralischen Orientierungen, jedoch Protestanten und Katholiken häufiger der Stufe 4 zugeordnet wurden. Holley´s Studie in einer „konservativen“ Universität zeigt, dass die Stufe 4 der moralischen Orientierungen mit dogmatischer Religiosität positiv korreliert, jedoch mit Items der Stufe 5A negativ korreliert. Holley (1991) argumentiert, dass Stufe 5 und 6 die Ansichten über universelle Werte in bezug auf die Grundrechte des Menschen betonen, unabhängig von der herrschenden Ordnung. Es handelt sich um keine religiöse Orientierung, welche Gottes Gebot als absolute Bedingung für moralisches Verhalten betrachtet.

 

Getz (1984) überprüfte die psychologische Literatur über Moralentwicklung und Religion. Sie unterteilte die religiösen Forschungen, die entweder das MJI oder den DIT zur Messung der Moralentwicklung verwendet hatten, in folgende Dimensionen ein: 1. Mitgliedschaft in Religionsgemeinschaften, 2. religiöses Verhalten, 3. religiöses Wissen, 4. religiöse Ideologie (Glaube); so z. B. der Glaube an das Leben nach dem Tod, 5. religiöse Erfahrung, 6. intrinsische und extrinsische Motivation und 7. Religionsunterricht. Sie fand nur in Bezug auf den religiösen Glauben und die Präferenz für postkonventionelle moralische Orientierungen (gemessen mit dem DIT) einen konsistenten Zusammenhang. Sechs von sieben überprüften Studien (Brown & Annis, 1978; Cady, 1982; Ernsberger & Manaster, 1981; Lawrence, 1979; Sanderson, 1974; Volker; 1979) zeigten im DIT niedrigere P-Scores von dogmatisch-religiösen Probanden im Vergleich zur liberalen Probanden. Eine bedeutsame negative Korrelation zwischen der Orientierung an postkonventionellen Prinzipien und Religiosität fand Glover (1997) in ihrer Untersuchung. Sie untersuchte das Verhältnis zwischen Moralentwicklung und Religiosität, religiöser Orientierung, Alter und Bildung bei Mitgliedern konservativer-, moderater- und liberal-religiösen Gruppen (gemessen mit DIT). Die drei religiösen Gruppen zeigten bedeutsame Differenzen der Präferenz für postkonventionelle moralische Orientierungen. Der Mittelwert der Präferenz für postkonventionelle moralische Orientierungen der konservativen Gruppe war bedeutend niedriger als bei den beiden anderen Gruppen. Zwischen der moderaten und der liberalen Gruppe wurden keine bedeutsamen Differenzen gefunden. Rest (1986) fasst die Forschung zu diesem Thema zusammen: „conservative religious ideology tends to highlight adherence to church doctrine and external religious authority in judging moral dilemmas, whereas liberal religious ideology tends to foster an orientation toward moral decision-making that emphasizes the subject's own sense of how the various interests can be fairly balanced (Rest, 1986, S. 127).” Alle oben genannten Untersuchungen fanden einen negativen Zusammenhang zwischen moralischer Orientierung und religiöse Bindung. Über den Einfluss der religiösen Bindungen auf der kognitiven Aspekt des moralischen Verhaltens können diese Untersuchung jedoch keine eindeutige Aussage liefen.

 

Zwei Untersuchungen, die genauere Belege über den Einfluss der religiösen Bindung auf den kognitiven Aspekt des moralischen (Urteils)verhaltens liefern können sind die Untersuchungen von Duriez (2006) und Lupu (2009). Die beiden Untersuchungen haben den MUT zur Messung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit verwendet. In der Studie von Duriez (2006) wurde die Religiosität unter zwei Dimensionen erfasst: 1. wortwörtliche vs. symbolische Glaubensauffassung und 2. Inklusion vs. Exklusion von Transzendenz. Nur zwischen der ersten Dimension und der moralischen Urteilsfähigkeit wurde einen bedeutender Zusammenhang gefunden. Die zweite Dimension hatte keinen Effekt auf die moralische Urteilsfähigkeit. Lupu (2009) fand ebenfalls einen negativen Zusammenhang zwischen religiöser Bindung (dogmatische Religiosität) und moralischer Urteils- und Diskursfähigkeit. In den genannten Untersuchungen zeigt sich, dass die Moralentwicklung durch Religiosität gefördert oder auch gehemmt werden kann. Es stellt sich die Frage, ob dieser Umstand durch den Anregungsgehalt der Lern- bzw. Bildungsangebote beeinflusst wird und wenn ja, in welcher Weise?

 

2.3.4 Über Wechselwirkung von dogmatischer Religiosität und Hoch-schulbildung

 

Über die Wechselwirkung von dogmatischer Religiosität und Hochschulbildung beim Einfluss auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit ist die Befundlage bisher ausgesprochen unergiebig. Die einzige Studie, die diesen Zusammenhang untersucht hatte, ist die Studie von Lupu (2009) in Rumänien. Lupu (2009) hat den Einfluss von dogmatischer Religiosität und Bildungsqualität auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit untersucht. Sie fand heraus, dass hoch-dogmatisch-religiöse Studierende eine wesentlich niedrigere moralische Urteilsfähigkeit im Vergleich zu den anderen Gruppen hatten. Ihre moralische Urteils- und Diskursfähigkeit lag bedeutsam niedriger unter der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit der wenig-dogmatisch-religiösen Studierenden. Hoch-dogmatisch-religiöse Studierende gewannen auch in einer hohen Bildungsqualität mit vielen Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteter Reflexion nicht an moralischer Urteils- und Diskursfähigkeit. In einer niedrigen Bildungsqualität zeigten sie sogar eine starke Regression ihrer moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit. Ihre moralische Urteils- und Diskursfähigkeit sank stark im Studienverlauf. Dagegen konnte bei wenig dogmatisch-religiösen Studierenden in einer hohen Bildungsqualität ein bedeutender Zuwachs der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit verzeichnet werden. Die Bildungsqualität förderte also nur bei wenig dogmatisch-religiösen Studierenden die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit. Lupu schlussfolgert, dass dogmatische Religiosität einen negativen Einfluss auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit hat und die positive Wirkung einer hohen Bildungsqualität auf die Entwicklung der moralische Urteils- und Diskursfähigkeit „ausbremst“. Diese Ergebnisse bestätigen die Hypothese, dass Bildung und Religiosität einen entgegengesetzten Einfluss auf moralische Fähigkeiten haben. Während eine hohe Bildungsqualität die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit fördert, hemmt die dogmatische Religiosität diesen Effekt. Man kann also annehmen, dass eine hohe Bildungsqualität zu einem Zuwachs der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit führt, wenn eine dogmatische Religiosität nicht oder kaum vorhanden ist.

 

 

2.3.5 Das Phänomen der religiös bedingten moralischen Segmentierung

 

Mit dem Begriff der moralischen Segmentierung wird das Phänomen bezeichnet, dass jemand eine geringere Urteilsfähigkeit zeigt, als er/sie normalerweise hat, wenn er über ein Problem urteilt, zu dem eine äußere Autorität (z. B. die Kirche) eine bestimmte Lehrmeinung (Dogma) hat, die es dem Individuum verwehrt, sich darüber ein eigenes Urteil zu bilden. Moralische Segmentierung findet sich in verschiedenen Herrschaftssystemen, die das eigene Nachdenken über moralischen Probleme verwehren. Wakenhut (1982) fand dieses Phänomen in einer Untersuchung bei Unteroffizieren der Bundeswehr, die bei moralischen Dilemmas im militärischen Kontext ein anderes Urteilsverhalten zeigen, als bei ähnlichen Dilemmas, die im zivilen Kontext angesiedelt waren.

 

Auf das Phänomen der moralischen Segmentierung ist auch Lind (2000b) bei der Analyse von Daten gestoßen, die aus stark unterschiedlichen religiösen Gesellschaften stammen (starker Katholizismus im Mexiko/protestantischer Hintergrund in Deutschland mit seltenem Kirchenbesuch). In diesen Studien wurden immer zwei Dilemmas eingesetzt. Eines davon war das Sterbehilfe-Dilemma, das vom Standpunkt der Katholischen Kirche aus ein religiöses Problem ist. Die Kirche vertritt dazu eine strikte Lehrmeinung. Es stellte sich heraus, dass Studierende in Mexiko nur im Sterbehilfehilfe-Dilemma eine sehr geringe moralische Urteilsfähigkeit zeigten, jedoch nicht im so genannten Arbeiter-Dilemma. Sie lehnten Sterbehilfe zum großen Teil kategorisch ab. Oft weigerten sie sich im eingesetzten MUT die Argumente zum Sterbehilfe-Dilemma nach ihre Akzeptabilität beurteilen. Eher beurteilten sie die Argumente der sechs moralischen Orientierungen nach ihrer Konformität mit der eigenen Meinung bzw. der Meinung der religiösen Autorität. Dagegen waren die Studierenden in der Lage im Arbeiter-Dilemma, das kein religiöses Thema beinhaltet, die Argumente der sechs moralischen Orientierungen nach ihrer Qualität zu beurteilen. Diese Befunde legen eine Erklärung für das Segmentierungsphänomen nahe: die religiösen Studierenden unterdrücken ihre autonome moralische Meinung zu dem, in ihrem religiösen Umfeld tabuisierten Dilemma, da die Kirche hier einen starken Standpunkt einnimmt. Sie greifen bei moralischen Konflikten auf Begründungskriterien zurück, die sie in ihrer moralischen Entwicklung längst überwunden haben.

 

 

2.3.6 Religiosität im Iran heute

 

Der heutige Iran ist ein theokratisch regiertes Land, dessen religiöse Grundlage die so genannte Zwölferschia ist. Die Zwölferschia ist die zweitgrößte Konfession des Islam. Der Islam ist eine mehr als 1400 Jahre alte, auf der arabischen Halbinsel entstandene monotheistische Offenbarungsreligion, der heute weltweit ca. 1 Milliarde Menschen angehören. Auch heute noch prägen die Normen dieses Glaubens über den religiösen Bereich hinaus das gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Leben der Muslime in ungewöhnlich großem Ausmaß (Antes 1991; Azzam, 2002; Khoury, Hagemann & Heine, 2006). Begründer der Weltreligion Islam ist der Prophet Muhammad (569-632); er wird von den Muslimen als letzter und abschließender in der Reihe der Propheten, beginnend mit Abraham, verehrt. Die durch Muhammad wörtlich vermittelte göttliche Offenbarung wird als abschließend und vollkommen angesehen und überragt nach Ansicht der Gläubigen alle Verkündigungen früherer Propheten - einschließlich der Botschaft des Jesus von Nazareth, der nicht als Sohn Gottes, sondern als einer der Propheten angesehen wird. Der Islam geht davon aus, dass Muhammad Gottes Willen in zahlreichen Offenbarungen wörtlich übermittelt hat. Nach dem Tod Muhammads wurden die Offenbarungen in arabischer Sprache aufgeschrieben und zum Koran (arab. qur'an = Lesung, Vortrag) zusammengefasst. Der Koran enthält 114 Abschnitte, die Suren. Sie werden nach dem Ort der Offenbarung in mekkanische und medinensische Suren unterschieden. Der Islam besitzt, ähnlich wie das Christentum, verschiedene Glaubensrichtungen. Im Verlauf der Geschichte vollzogen sich zahlreiche Spaltungen, zudem unterscheidet sich die örtlich unterschiedlich ausgeübte und gelebte Praxis des Islam mit den jeweiligen kulturellen Besonderheiten. Von einem einheitlichen Theorien- und Lehrgebäude des Islam und verbindlichen organisatorischen Strukturen kann daher nicht gesprochen werden. Die Sunniten stellen die größte Gruppierung des Islam dar, schätzungsweise 85 Prozent aller Muslime gehören dieser Glaubensrichtung an. Dem Schiitismus gehören schätzungsweise 12 Prozent der Gläubigen an und zwar insbesondere im Iran, Irak, Afghanistan und Jemen. Im Iran sind 99 Prozent der Bevölkerung Muslime und über 90 % der Muslime im Iran sind Schiiten. Die Schiiten anerkennen Ali, den Schwiegersohn und Vetter Mohammeds, und nur die ihm nachfolgenden blutsverwandten Imame als rechtmäßige geistliche und weltliche Führer an. Für Schiiten ist die religiöse Führungsrolle des Imam, die nur in direkter Nachkommenschaft des Propheten Mohammed übertragen werden kann, göttliches Gebot. Einzig der Imam und seine ihm blutsverwandten Nachfolger werden als legitime Führer der muslimischen Gemeinschaft gesehen. Für die insgesamt zwölf schiitischen Führer der islamischen Gemeinde wurde der Begriff der Zwölferschia geprägt. Ihre Reihe beginnt mit Ali, dem Vetter und Schwiegersohn Mohammeds, und endet bei Muhammad ibu Hassan al-Mahdi im 10. Jahrhundert. Der letzte Imam lebe auch heute noch, befinde sich aber in der „großen Verborgenheit“ (arab. mahdiya) und werde am Ende der Zeit wieder erscheinen und für „Gerechtigkeit und Ordnung“ sorgen. In der Zeit der Verborgenheit des zwölften Imams wird die geistliche und rechtliche Betreuung der Schiiten, stellvertretend für den verborgenen Imam, durch Rechtsgelehrte übernommen. Nach der gegenwärtigen schiitischen Lehre muss sich jeder schiitische Glaubensangehörige an einen Rechtsgelehrten wenden und ihm bei seiner religiösen und alltäglichen Lebensgestaltung folgen. Der Gläubige kann diesen Gelehrten frei wählen, ist in der Folge aber von dessen Anordnungen in jeder Hinsicht abhängig und folgt dem verbindlichen Rat dieses Rechtsgelehrten.

 

Der schiitische Islam wurde im Iran nach der Islamischen Revolution 1979 Staatsreligion. Danach änderte sich im Iran in kurzer Zeit vieles: Das politisches System, die Gesellschaft und die Kultur wurden gestürzt und bekamen einen distinkt religiösen Stempel aufgedrückt. Seitdem zeichnet sich der iranische Schiitismus durch besondere Radikalität, sowie einen universellen Machtanspruch aus. Er diktiert das gesamte Leben, sowohl im Öffentlichen als auch im Privaten. Kurz nach der Revolution gründete Kohmeinis (der Revolutionsführer) eine Herrschaft der Geistlichkeit, in der das islamische Recht in dem Maße zur Anwendung kommt, in dem es den Interessen der Staatsklasse dienlich ist. Kohmeinis bildet ein System, das große Widersprüche enthielt. Zwei Widersprüche prägen ganz besonders: der zwischen der autoritären und der demokratischen Komponente, sowie der zwischen ihren säkularen und legalistischen oder islamisch-rechtlichen Bestandteilen. Auf der einen Seite steht die Verwirklichung der Scharia, die behauptet, sie verfüge über die Lösung für alle Probleme der Staatsführung. Gleichzeitig enthält es säkulare Traditionen und Begriffe wie Verfassung, Wahlen und Parlament. Während es einen demokratisch gewählten Präsidenten und ein Parlament vorsieht, kontrollieren klerikale Gremien wer überhaupt gewählt werden darf, auch wenn diese Gremien, wie der Wächterrat, erst nachträglich dafür legitimiert wurden. Während nach der Verfassung das Volk den Staatspräsidenten, die Mitglieder des Parlaments und die Lokalräte wählt, werden deren ausführende bzw. gesetzgeberische Kompetenzen durch andere, in der Verfassung ebenfalls vorgesehene, nicht gewählte Instanzen weitgehend eingeschränkt. Sämtliche vom Parlament und anderen staatlichen Organen beschlossenen Gesetze, Beschlüsse, Ausführungsbestimmungen usw. erhalten erst dann Gültigkeit, wenn sie vom Wächterrat gebilligt werden. Dessen Mitglieder werden direkt bzw. indirekt von den religiösen Staatsführern ernannt (Art. 4, 72, 91 und 94; Nasr & Gheissari, 2006). Durch Khomeinis Neuinterpretation der schiitischen Rechtslehre – der Vertretung des abwesenden-verborgenen Imam durch die Rechtsgelehrten – verwandelte sich das Staatswesen praktisch in eine Diktatur. Er und seine Nachfolger bekamen uneingeschränkte Macht. Der religiöse Staatsführer verfügt über dieselbe Machtvollkommenheit wie der Prophet Muhammad und die ihm nach schiitischer Auffassung folgenden zwölf Imame. Eine Reihe von Institutionen mit weitgehender staatlicher Macht steht ihm zur Verfügung. Die Machtbefugnisse dieser Intuitionen werden dadurch gerechtfertigt, dass der religiöse Staatsführer nicht nur über der Verfassung steht, sondern auch über der Scharia. Er ist befugt, einzelne Bestimmungen der Scharia vorübergehend außer Kraft zu setzen, wann immer die Interessen des Staates dies erfordern. Parallel hierzu wurden Tausende von Menschen wegen sogenannter Verbrechen gegen die Religion inhaftiert, gefoltert und oft sogar ermordet. An die Stelle des Geheimdienstes SAWAK des Schah-Regimes, sind die Pasdaran (Revolutionswächter) getreten, die die Einhaltung der Religionsregeln bis in das Privatleben hinein genauestens kontrollieren. Die islamischen Steuern, hums und zakat, deren Zahlung üblicherweise Privatangelegenheit war, wird inzwischen zusätzlich zu den anderen Steuern eingetrieben. Werden sie nicht gezahlt, kann dies zur Blockierung jeder öffentlichen Eingabe führen. Eine Neuerung im schiitischen Islam ist die verpflichtende Teilnahme am Freitagsgebet. Sie ist offiziell zwar nicht vorgeschrieben, de facto allerdings obligatorisch geworden. In vielen Büros und Fabriken ist das Mittagsgebet öffentlich, so dass Abwesende leicht auszumachen sind. Pressefreiheit ist faktisch nicht gegeben: Nachdem 1997 während der Reformbemühungen des Staatspräsidenten Khatamis die Pressefreiheit eingeführt worden war, wurde sie wenig später vom Wächterrat mit dem Hinweis wieder abgeschafft, sie sei mit dem Islam nicht zu vereinbaren. So kommt es bis heute beispielsweise zur gewaltsamen Schließung von Verlagen, die ursprünglich legal zugelassen waren und zu Einschüchterungsmaßnahmen gegen Mitarbeiter von Zeitungen und Magazinen, die das islamische Regime kritisieren. In vielen Fällen gibt es für diese Schließungen und/oder Besetzungen von Büros keinerlei offizielle gesetzliche Handhabe: Die Hezbollahi („die von der Partei Gottes“) handeln hier im taktischen Einverständnis mit den Behörden und werden niemals ernsthaft für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen (vgl. hierzu auch Borzogmeh, 2007). Im Vergleich zu den Anfangsjahren nach der Revolution existieren mittlerweile neue Gedankenströmungen in der iranischen Gesellschaft. Obwohl alles, was als westlich definiert wurde, verboten ist, haben Jugendliche Wege gefunden die vielen islamischen Vorschriften zu umgehen. Die staatlichen Sittenregeln werden, soweit es geht, ignoriert und unterlaufen. Viele Jugendliche leben von Kindheit an in zwei Realitäten. Einerseits die der öffentlichen Welt, in der alle Beteiligten versuchen, sich als möglichst perfekte Muslime zu präsentieren. Anderseits das private Leben innerhalb der Familie. Hier wird die islamische Regierung kritisiert, Witze über die Mullahs gerissen und auf Partys Alkohol getrunken. In der Öffentlichkeit versuchen die Menschen sich möglichst nach Regierungsvorschriften zu verkleiden und am Ramadan tun sie so, als würden sie fasten. Kindern wird z. B. beigebracht in der Schule den Lehrern zuzustimmen, die versuchen eine politische Gesinnung zu vermitteln, weil ansonsten die Eltern zum Schuldirektor zitiert werden (Hoffmann, 2009).

 

Die Bildungstheorie der Moralentwicklung legt nahe, dass die religiöse Buchstabengläubigkeit, die im Iran zur Staatreligion erhoben wurde, die Entwicklung von moralischer Urteils- und Diskursfähigkeit behindert. Es stellt sich daher die Frage, ob auch unter diesen Bedingungen die universitäre Bildung die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit fördert, oder ob die Herrschaft einer Religion den Effekt der Bildung auf die Moralentwicklung beschränkt oder – wie andere Untersuchungen nahe legen – sogar behindert (Hunter, 1991, Lind, 2003, Lupu, 2009). Die Herrschaft der Religion, wie man sie am Beispiel des Iran studieren kann, wird als eine massive Moralisierung der Gesellschaft verstanden (viele Formen „moralischen Fehlverhaltens“ werden wie oben geschildert öffentlich verfolgt oder gar mit scharfen Sanktionen bedacht). Es handelt sich um die Durchsetzung einer religiösen Buchstaben- und Autoritätsgläubigkeit, die gerade von einem aufgeklärten Standpunkt, – wie beispielsweise Kant, Piaget, Kohlberg ihn vertreten, – als externalistische Moral ohne eigene Motivationskraft angesehen wird (Nunner-Winkler, 2003). Wie andere orthodoxe oder autoritäre Religionsauslegungen lässt der Islam im Iran weder ein autonomes Gewissen, noch eine eigene Urteilsfähigkeit des Individuums zu. Andererseits muss aber selbst der orthodoxe Islam aus wirtschaftlichen Gründen, insbesondere um in einer globalisieren Wirtschaftswelt nicht den Anschluss zu verlieren, die Allgemeinbildung fördern. Mit ihr ist automatisch ein Spielraum für eigenes Denken und eigenes Urteilsvermögen verbunden. Ist die Modernisierung soweit gediehen, dass ein Lernklima existiert, das moralisches Urteils- und Diskursvermögen fördert?

 

 

 

3. Forschungsfrage und Hypothesen

 

3.1 Forschungsfrage Die oben referierte Forschungslage hat wichtige Einsichten zum Verständnis der Beziehung von Moral, Bildung und Religion erbracht, sie lässt aber auch eine Reihe von wichtigen Fragen unbeantwortet und wirft neue Fragen auf. Die Datenlage zeigt deutlich, dass nur qualitativ gute Bildung einen fördernden Einfluss auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit hat (Bildungstheorie). Die Bildungstheorie kommt diesbezüglich zu besseren Vorhersagen als Reife- und Sozialisationstheorien. Gleichzeitig deutet sich an, dass dogmatische Religiosität den fördernden Einfluss von Bildung teilweise oder ganz aufheben kann. Die Frage ist nun, ob sich diese Befunde auch in einer Islamisch-Schiitischen Kultur, wie sie im Iran dominiert, bestätigen lassen. Fördert das Studium im Iran die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit, oder wirkt sich hier die Religion lernhemmend aus? Folgende Hypothesen sollen nachfolgend empirisch überprüft werden:

 

 

 

3.2 Die Hypothesen

1- Universitäre Bildung hat auch in einem religiös regierten Land wie dem Iran einen fördernden Einfluss auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit.

Bildung ist die wirksamste Bedingung für die Entwicklung moralisch-demokratischer Fähigkeiten. Pascarella (2005) und Rest (1979) haben in ihren Untersuchungen einen positiven Zusammenhang zwischen universitärer Bildung und Moralentwicklung gefunden. (Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die beiden Autoren moralische Einstellungen untersucht haben.) Untersuchungen mit dem MUT differenzieren diese Ergebnisse. Der alleinige Besuch einer Hochschule bzw. die verbrachte Zeit in dieser Bildungsorganisation (quantitative Bildung) hat kaum einen Einfluss auf die moralischen Orientierungen (affektiver Aspekt). Diese Form der quantitativen Bildung allein reicht auch nicht zur Förderung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit aus (Lind, 2000b; Schillinger, 2006; Lupu, 2009). Damit Bildung die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit fördern kann müssen Lerngelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteter Reflexion vorhanden sein (qualitative Bildung). Es wird somit angenommen, dass der alleinige Besuch einer Hochschule im Iran minimal zur Förderung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit beiträgt. 1a) Moralische Orientierungen verändern sich im Studienverlauf nicht. Bezüglich moralischer Orientierungen weisen iranische Studierende sowohl am Anfang als auch am Ende ihres Studiums einen hohen Entwicklungsstand auf. Sie präferieren postkonventionelle moralische Orientierungen (affektiver Aspekt) vor anderen moralischen Orientierungen. 1b) Quantitative Bildung fördert moralische Fähigkeiten kaum. Während des Studiums zeigt sich ein minimaler Zuwachs an moralischer Urteils- und Diskursfähigkeit (kognitiver Aspekt).

2- Eine hohe universitäre Bildungsqualität fördert die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit im Iran.

 

Die Bildungstheorie sagt voraus, dass eine hohe Bildungsqualität, die sich durch Möglichkeiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexion auszeichnet, zur Steigerung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit führt. Bereits in den Untersuchungen von Lind (2000a), Schillinger (2006) und Lupu (2009) wurde diese Annahme empirisch überprüft. In allen genannten Untersuchungen wurde ein positiver Zusammenhang zwischen einer hohen Bildungsqualität und moralischer Urteils- und Diskursfähigkeit gefunden. Die Bemühungen der iranischen Wirtschaft um Wettbewerbsfähigkeit im Welthandel haben dazu geführt, dass sich – trotz einer stark religiösen Lernumwelt – zumindest in einigen Studiengängen Freiräume für moralische Diskurse entwickelt haben. Es wird daher vermutet, dass eine hohe Bildungsqualität mit Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexion auch im Iran zur Förderung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit beiträgt.

 

2a) Hohe Bildungsqualität fördert die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit.

 

Eine hohe Bildungsqualität führt zur Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit und geht mit einem positiven Zuwachs an moralischer Urteilsfähigkeit im Studienverlauf einher. Prognose: Es wird ein Zugewinn von mindestens 5 C-Punkten im Studienverlauf erwartet.

 

 

3- Die dogmatische Religiosität behindert die Wirkung der Bildungsqualität auf die Förderung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

 

..... einstimmend, dass dogmatische Religiosität einen hemmenden Einfluss auf das moralische Lernen an Hochschulen hat. Gilt das nur für christliche Religiosität oder auch für andere monotheistische Religionen, die eine starke Unterwerfung des Individuums unter einen Gott bzw. dessen irdische Stellvertreter, also die Religionsgemeinschaft und ihre Führer (Mullahs), fordern?

 

3a) Dogmatische Religiosität hat keinen Einfluss auf moralische Orientierungen.

 

Unabhängig von der dogmatischen Religiosität präferieren alle Studierenden hohe moralische Ideale.

 

3b) Dogmatische Religiostät hemmt die Entwicklung der moralischen Fähigkeiten.

 

Die dogmatisch-religiöse haben niedrige moralische Urteils- und Diskursfähigkeit. Prognose: Der mittlere C-Wert der sehr-dogmatischen Studierenden liegt mindestens 5 Punkte unter dem mittleren C-Wert der nicht-dogmatischen Studierenden.

 3c) Dogmatische Religiosität hemmt die Förderwirkung der Bildungsqualität.

 

Eine ausgeprägte dogmatische Religiosität beeinträchtigt den positiven Einfluss einer hohen Bildungsqualität auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit. Positive Veränderungen sind (im geringen Umfang) bei nicht-religiös gebundenen Studierenden zu finden. Bei religiös stark gebundenen Studierenden ist dagegen keine Entwicklung oder gar eine Regression festzustellen.

4- Dogmatische Religiosität führt zur Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

Es wird vermutet, dass dogmatische Religiosität nicht nur zu einer generellen Verringerung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit führt, sondern auch zu einer moralischen Segmentierung. Moralische Segmentierung heißt, dass sich bei moralischen Konfliktthemen, zu denen die religiöse Autorität Denkverbote erlässt, eine niedrigere moralische Urteils- und Diskursfähigkeit gezeigt wird, als bei Themen, die nicht religiös besetzt sind.

 

4a)Dogmatische Religiosität führt zur Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

 

Mit wachsendem religiösen Dogmatismus nimmt auch die moralische Segmentierung zu, d .h. religiös-dogmatische Studierende zeigen bei dem (auch im Islam mit einem Dogma belegten) Thema „Sterbehilfe“ eine viel geringere moralische Urteils- und Diskursfähigkeit, als beim „Arbeiter-Dilemma“, bei dem es um ein Problem aus der Arbeitswelt geht, das nicht dogmatisch besetzt ist. Prognose: Der mittlere C-Wert der dogmatisch-religiösen Studierenden im Sterbehilfe-Dilemma liegt mindestens 8 Punkte unter dem mittleren C-Wert im Arbeiter-Dilemma.

 

 

3.3. Hypothesen im Überblick

Forschungsfrage

Bildungstheorie 1)Welchen Einfluss hat Bildung auf die Entwicklung des affektiven und kognitiven Aspekts des moralischen (Urteils-) Verhaltens?

Andere Theorien 1a) Keine Veränderung der moralischen Orientierungen währende des Studiums. 1b) Es gibt einen geringen Anstieg der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

2) Wie beeinflusst die Qualität der universitären Bildung die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit? 3) Welchen Einfluss hat die dogmatische Religiosität auf die Entwicklung des affektiven und kognitiven Aspekts des moralischen (Urteils-)Verhalten?

2a) Nur bei hoher Bildungsqualität (Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme) gibt es einen Anstieg. Wenn die Bildungsqualität niedrig ist, ist eine Regression zu erwarten.

3a) Kein Einfluss auf die moralischen Orientierungen während des Studiums.

3b) Negativer Einfluss auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit. („Bremseffekt“)

3c) Hemmender Einfluss auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit

2a) Sozialisationstheorie: Keine Änderung

2b) Reifungstheorie: I: Der Einfluss der Bildung auf die moralischen Fähigkeiten ist größer als der Einfluss der Qualität der Bildung. II: Es gibt keine Regression

3a)Sozialisationstheorie: I:Anpassung an die vorherrschenden moralischen Orientierungen der Religion II: ein „fördernder“ Einfluss III: positive Korrelation

3b) Sozialisationstheorie: - Keine Änderung

3c) Sozialisationstheorie: - Keine Änderung

4a)Welcher Einfluss hat dogmatische Religiosität auf die Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit?

4a) positive Korrelation. Je höher die dogmatische Religiosität, desto höher die Segmentierung.

4a) Sozialisationstheorie: -Kein Einfluss

 

 

 

 

4. Methode

 

4.1 Untersuchungsanlage

 

Der Untersuchung liegt ein Querschnittstudiendesign zugrunde. Die empirische Überprüfung der oben genannten Hypothesen erfolgte anhand einer Fragebogenerhebung bei Studierenden an insgesamt 6 Universitäten im Iran. Um die Fragestellung über Entwicklungsveränderungen bzw. Lernbedingung prüfen zu können, wurden Querschnittvergleiche zwischen Studierenden im ersten und im letzten Studienjahr durchgeführt. Eine Längsschnittstudie wäre unter den derzeitigen Bedingungen im Iran kaum durchführbar: Um eine Zuordnung der wiederholten Befragungen zu ermöglichen, hätte die Identität der Befragten partiell aufgedeckt werden müssen, was angesichts der politischen Verhältnisse in diesem Land nicht ohne Auswirkungen auf die Selektivität des Samples und der Teilnahmerate an der Untersuchung gewesen wäre.

 

4.2 Geplante Stichprobe

Der ursprüngliche Plan sah vor, iranische Studierende aus verschiedenen Studienjahren zu untersuchen, so dass durch den Vergleich der Antworten und Testwerten von Studienanfängern, fortgeschrittenen Studierenden und Prüfungskandidaten abgelesen werden kann, welchen Einfluss das Studium auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit der Studierenden hat. Die Studierenden wurden aus drei sehr unterschiedlichen Fächern ausgewählt, um möglichst verschiedene Lernumwelten einzubeziehen, nämlich aus den Fächern Medizin, Ingenieurwissenschaft und Psychologie. Die Auswahl gerade dieser Fächer erfolgt auch, um eine bessere Vergleichbarkeit mit Studien herzustellen, die eine ähnliche Forschungsfrage verfolgten (Schillinger, 2006; Lupu, 2009). Da zu vermuten war, dass sich die Lernumwelt und der soziale Hintergrund von Studierenden an kompetitiven Hochschulen stark von denen an weniger kompetitiven Hochschulen unterscheiden, wurden die Untersuchungsteilnehmer aus je kompetitiven und weniger kompetitiven Hochschulen ausgewählt. Es wurden die besten kompetitiven sowie wenig-kompetitive Universitäten ausgesucht, um möglichst aussagekräftige Ergebnisse zu ermöglichen. Der Unterschied zwischen kompetitiven und wenig-kompetitiven Universitäten wurde ausführlich im Abschnitt 2.2.5 dargestellt. Im Folgenden sollen der Unterschied zwischen den ausgewählten Fächern näher beschrieben werden, da dies für die Interpretation der Daten wichtig ist: – Studierende der Medizin: Das Medizin-Studium ist bei der Wahl des Studienfachs im Iran „erste Wahl“, sowohl in kompetitiven als auch in wenig-kompetitiven Universitäten. Die Studienplätze in diesem Fach sind sehr begrenzt. Nur Studierende, die sehr gut in der Aufnahmeprüfung „Konkur“ abgeschnitten haben, können eine Zulassung bekommen. Das Studium dauert 7 Jahre. Ab dem 4. Studienjahr praktizieren die Studierenden an verschiedenen Krankenhäusern, wo sie mehr Verantwortung übernehmen müssen und dabei von qualifizierten Fachleuten unterstützt werden. Das Medizinstudium, so scheint es, trägt nicht zur Entwicklung moralischer Fähigkeiten bei (Lind, 2002a). Diese Aussage wurde durch viele Untersuchungen bestätigt, die bei Medizinstudenten in, Brasilien, Deutschland und der Schweiz (Lind, 2000c; Schillinger, 2006) Regressionen zeigten. – Studierende der Psychologie: Das Psychologie Studium im Iran dauert vier Jahre. Das Studium scheint an diesem Land eher auf das Auswendiglernen des Fachwissen ausgerichtet zu sein und weniger an offenen Unterrichtsformen. In der Untersuchung von Schillinger (2006) zeigten Psychologie-Studierende den stärksten Zuwachs an moralischer Urteils- und Diskursfähigkeit im Vergleich zu Medizin- und BWL-Studierenden (Herberich 1996). – Studierende der Ingenieurswissenschaften: Es scheint dass das ingenieurwissenschaftliche Studium im Vergleich zu medizinischen und psychologischen Studiengängen viel mehr Möglichkeiten zur Verantwortungsübernahme haben (wie z. B. Projekte durchführen, Referate halten). Das Studium der Ingenieurwissenschaft dauert ca. 5 Jahre. Im letzten Studienjahr schreiben die Studierenden ihre Diplomarbeit in Form eines Projektberichtes. Damit die Messwerte reliabel sind, sollte jede „Analyse-Zelle“, die sich aus der Kombination der drei Designvariablen Studienjahr, Fach und Universitätstyp ergibt, mindestens 20 Probanden enthalten (Bortz, 1999, 2002). Insgesamt sollen nach diesen Kriterien 240 freiwillige Studierende aus der gesamten Gruppe von Studierenden ausgewählt werden, auf die unsere Auswahlkriterien zutrafen (siehe Tabelle 1).

 

Fachrichtung:

Medizin Universität: Studienjahr

Ingenieurwissenschaft wenig- kompetitive

Psychologie kompetitive

erstes Studienjahr / letztes Studienjahr

20 / 20

20 / 20

20 / 20

 

 

 

Tab. 1: Geplante Stichprobe Diese Zahlenwerte waren für uns die Untergrenze für die Ziehung der realen Stichprobe. In Wirklichkeit wurden in jeder Analysezelle mehr als 20 Teilnehmer gezogen.

 

 

 

4.3 Realisierte Stichprobe

 

Realisiert wurde eine Stichprobe mit N = 579 Studierenden. Die ausgewählten Universitäten kooperierten in dem Sinne, dass ein Teil der Vorlesungszeit zur Durchführung der Untersuchung zur Verfügung gestellt wurde. Dies ermöglichte, dass mehr freiwillige Studierende als geplant an der Untersuchung teilnehmen konnten. Das Alter der Befragten lag zwischen 18 und 29 Jahren (Mittelwert = 21,1 Jahre; SD = 2,82 Jahre). Eine genauere Beschreibung der Stichprobe findet sich in Tabelle 2.

 

Tab. 2: Realisierte Stichprobe

 

Von den gezogenen Teilnehmern haben 71 aus verschiedenen Gründen nicht an der Untersuchung teilgenommen bzw. sind nicht in die Auswertung der Daten eingegangen. Die häufigsten Gründe dafür waren unvollständig ausgefüllte Fragebogen (ORIGN oder MUT). Für MUT-Fragebögen, bei denen mehr als zwei Argumente ausgelassen wurden, wurde kein C-Wert berechnet. Die Rücklaufquote beträgt damit 89% =(579/650)*100, wenn man die Zahl der ausgefüllten Fragebogen in der realisierten Stichprobe berechnet. Sie beträgt 80% =(579/722)*100, wenn man die Zahl der verteilten (und zum Teil nicht wieder zurückgegebenen Fragenbögen) berücksichtigt. Das ist angesichts der Schwierigkeiten mit denen die Durchführung einer solchen Untersuchung im Iran behaftet ist, ein guter Wert. Dennoch ist der Rücklauf nicht hoch genug, um Verzerrungen gänzlich auszuschließen. Zudem könnte die Untersuchungsgruppe eine gewisse Selektion durch die Auswahl der besseren Universitäten und durch die freiwillige Teilnahme der Studierenden aufweisen. Es muss vermutet werden, dass die freiwillige Bereitschaft der Studierenden, sowie der Rücklauf im Allgemeinen positiv mit der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit korreliert. Daher könnte eine gewisse Überschätzung des mittleren C-Werts vorliegen. Auf die korrelativen Analysen sollte dies jedoch keine Auswirkung haben. Zum Vergleich wurden punktuell Ergebnisse und Rohdaten aus Studien über Studierende in Deutschland und Brasilien, sowie Rumänien herangezogen, die für diese Untersuchung zum Teil re - analysiert wurden.

 

 

4.4 Voruntersuchungen

Um die Validität des ins Iranische übersetzen MUT zu prüfen, wurde im April und Mai 2004 an der Teheran-Universität eine Voruntersuchung mit 69 freiwilligen Teilnehmern durchgeführt. Der Fragebogen wurde meistens nach den Veranstaltungen an Studenten verteilt.

 

Die Validitätsprüfung der ersten iranischen Version des MUT zeigte Mängel an. Die Präferenzhierarchie wies darauf hin, dass ein oder mehrere Argumente der Orientierung 2 zu positiv formuliert waren. In anderer Modalität zeigte die kognitiv-affektive Parallelität das ein oder mehrere Argumente der Orientierung 2 zu stark mit dem C-Wert korrelierten. Die Quasi-Simplex-Struktur war kaum vorhanden, was zum Teil an der geringen Varianz des C-Wertes gelegen haben konnte, und/oder an den Orientierung-2-Argumenten. Nach diesen Ergebnissen der ersten Validitätsprüfung wurden alle Argumente der Orientierung 2 nochmals sorgfältig geprüft und überarbeitet. Nach der Bearbeitung der Fragebogen wurde dann in August 2004 eine zweite Voruntersuchung durchgeführt (N = 19). Die iranische Version des MUT bestand dieses Mal die Validitätsprüfung (siehe unten). Zur Erfassung der dogmatischen Religiosität wurde eine überarbeitete und gekürzte Form des Fragebogens von Boos-Nünning (1972) eingesetzt. Von den sieben Dimensionen wurden aus politischen Gründen in der iranischen Gesellschaft nur zwei Dimensionen „allgemeine Religiosität“ und „die Zustimmung zu kirchlichen Glaubenssätzen und Dogmen“ erfasst. Nach der Pilotstudie und in Gesprächen mit Dozenten der Universität Teheran wurde deutlich, dass die Verwendung der Religiositätsskala für den Erhalt einer notwendigen Forschungsgenehmigung (Hauptstudie) Probleme verursachen könnte. Die Skala wurde daher erneut von Lind und Kietzig (2004) so überarbeitet, dass die Konstrukte erhalten blieben, aber sich die Dozenten/Entscheider nicht mehr an den einzelnen Formulieren stören konnten. Weiterhin sollte sie nun für alle Konfessionen anwendbar sein und einen internationalen Vergleich zwischen weiteren Studien ermöglichen. Zur Erfassung der Lernumwelt wurde der ORIGIN-Fragebogen (Schillinger, 2006; siehe unabhängige Variable) an das iranische Hochschulbildungssystem angepasst. Der Fragebogen besteht aus zwei Hauptkategorien „Verantwortungsübernahme und angeleitete Reflexionen“, die jeweils in vier Unterkategorien „curriculare, semi-curriculare, extra- curriculare, non-curriculare“ eingeteilt sind. Der Fragebogen wurde mit Hilfe der Voruntersuchung und einer Studierendenbefragung angepasst. Für die vorliegende Studie wurde aus der 90 Fragen enthaltenden deutschen Version des ORIGIN (Schillinger, 2002), 47 in die iranische Version übernommen. Die Unterkategorien (semi-curriculare und non-curricular) wurden aus dem Fragebogen herausgenommen, da das universitäre Bildungssystem im Iran solche Möglichkeiten nicht anbietet.

4.5 Hauptuntersuchung

Die Hauptuntersuchung wurde von Mitte November 2004 bis Ende Januar 2005 von der Autorin durchgeführt. Für die Durchführung dieser Fragebogenbogenstudie musste von der Leitung der teilnehmenden Universitäten bzw. Fakultäten eine Genehmigung eingeholt werden. Dazu wurden der Fragebogen und eine kurze Beschreibung des Forschungsprojekts durch Prof. Lind vorgelegt (im Anhang). Die Genehmigung war nicht immer leicht zu bekommen, aber sie wurde schließlich für alle beantragten Samples erteilt, und zwar ohne Auflagen. Es ist möglich, dass die Genehmigung dieser Studie dem kurzen liberalen Klima unter der Regentschaft von Ministerpräsident/Staatspräsident Khatami zu verdanken ist. Heute wäre eine solche Untersuchung sicher nicht mehr möglich. Die Fragebögen wurden den Studierenden meist in Gruppen vorgelegt. Die Studierenden der Ingenieurswissenschaft, sowie die Medizin Studenten besuchten im letzten Jahr keine Vorlesungen mehr, daher war es bei ihnen schwierig Studierende zu finden, die freiwillig bereit waren, die Fragebogen vollständig auszufüllen. Die Studierenden der Ingenieurwissenschaft im letzten Jahr wurden daher in der Bibliothek aufgesucht und dort gebeten den Fragebogen auszufüllen. Die Medizin-Studierenden im letzten Jahr wurden in Krankenhäusern befragt und gebeten, den Fragebogen nach dem Ausfüllen in einem vorfrankierten Umschlag an die Autorin zurück zu schicken.

 

4.6 Abhängige Variable

 

Das Ziel der Studie ist die Untersuchung des Effekts der universitären Bildung auf die Moralentwicklung. Die drei zentralen abhängigen Variablen dieser Studie sind die beiden Aspekte des moralischen Urteilsverhaltens, die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit, die moralischen Orientierungen nach so genanntem Kohlbergs-Stufen sowie die moralische Segmentierung. Diese Variablen wurden simultan mit dem Moralisches Urteil-Test (MUT) von Lind gemessen. Der MUT ist ein objektiver, experimentell angelegter Verhaltens-Test, der von Lind 1978 konstruiert wurde. Ähnlich wie die Interviewverfahren von Piaget und Kohlberg enthält der MUT zwei Handlungsdilemmas in Form von kurzen Geschichten. Die Standardversion des MUT besteht aus zwei Dilemmas, dem „Arbeiter“- und dem „Arzt“-Dilemma. Bei dem Arbeiter-Dilemma geht es darum, dass Arbeiter sich auf gesetzeswidrigem Weg Beweise für das illegale Abhören durch ihre Firma beschaffen. Bei dem Sterbehilfe-Dilemma steht ein Arzt vor der Entscheidung, einer todkranken Frau auf deren Wunsch hin das Sterben zu ermöglichen.

 

Der Befragte soll in der Geschichte zunächst Stellung zur Entscheidung der Protagonisten beziehen: Hat der Arzt (haben die Arbeiter) richtig oder falsch gehandelt? Diese Antworten werden bei der Berechnung der Indikatoren für moralische Orientierungen und moralische Urteilsfähigkeit nicht berücksichtigt. Zu jeder Geschichte werden dem Befragen jeweils sechs Für- und sechs Gegen-Argumente vorgelegt, die jeweils nach den 6-Stufen von Kohlbergs Stufenkonzept formuliert sind. Der Befragte ist dazu aufgefordert zu den Argumenten auf einer Skala von „-4“ („Ich lehne das völlig ab“) bis „+4“ („Ich stimme dem völlig zu“) Stellung zu nehmen. Die Aufgabe im MUT besteht darin, die Argumente nach deren moralischer Qualität zu beurteilen und nicht danach, ob sie konform zur eigenen Meinung sind. Die 24 Argumente des MUT bilden zusammen ein drei-faktorielles experimentelles Design (Abbildung 1). Die drei Faktoren sind:

- Der Faktor „Dilemma“ hat zwei Ausprägungen, nämlich Arzt (Sterbehilfe) und Arbeiter (Selbstjustiz) und
- Der Faktor „Meinungskonformität“ hat zwei Ausprägungen: Pro- und Contra-Argumente.
- Der Faktor „moralische Qualität der Argumente“ hat sechs Ausprägungen, die die sechs moralischen Orientierungen nach Kohlberg präsentieren.

1-Dilemma

Arbeiter-Dilemma

 

Doktor-Dilemma

2-Meinungskonformität

Pro

Contra

Pro

Contra

3- Moralische Qualität der Argumente

 

Orientierung 1

Orientierung 2

Orientierung 3

Orientierung 4

Orientierung 5

Orientierung 6

       

Abb. 1:Das Design des moralischen Urteils-Test (MUT)

 

Das Design des MUT ermöglicht eine Vielzahl von Auswertungsmöglichkeiten. Wichtig sind die kognitiv-strukturellen Maße und die affektiv-inhaltlichen Maße. Eine hohe moralische Urteils- und Diskursfähigkeit zeigt sich darin, dass Argumente unabhängig vom Dilemmatyp und der eigenen Meinung eher nach ihrer moralischen Qualität bewertet werden. Dagegen zeigt sich eine niedrige moralische Urteils- und Diskursfähigkeit darin, dass Teilnehmer die Argumente eher nach ihrer Übereinstimmung mit der eigenen Meinung beurteilen. Sie sind nicht in der Lage, sich von der eigenen Meinung zu lösen und Argumente nach ihrer moralischen Qualität zu bewerten.

 

Berechnung der moralische Urteils- und Diskursfähigkeit Als Index für die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit (den kognitiven Aspekt des moralischen Urteilsverhaltens) wird der C-Wert berechnet. Der C-Wert ist definiert als der Anteil der Varianz des Faktors moralische Qualität an der Varianz des gesamten individuellen Urteilsmusters (multipliziert mit 100). Er zeigt an, wie stark sich ein Teilnehmer bei der Bewertung von Argumenten an deren moralischer Qualität orientiert, statt an ihrer Meinungskonformität. Der C-Wert kann zwischen 0 und 100 variieren. (vgl. hierzu Lind, 2002). C-Wert-Differenzen ab 5 Punkten werden im Allgemeinen als „bedeutsam“ erachtet, C-Wert-Differenzen ab 10 Punkten als groß (Lind, 2008). Ergebnisse von Studien, die nicht die zertifizierte Standardversion des MUT verwenden, sind mit den Ergebnissen dieser Studie nicht vergleichbar. Berechnung der moralischen Orientierungen Moralische Orientierungen werden als mittlere Zustimmung zu Argumenten, die die jeweiligen Orientierungen repräsentieren, definiert. Die Auswertung der moralischen Orientierungen des moralischen Urteilsverhaltens erfolgt durch die Berechnung der Mittelwerte der Einzelurteile der Befragten zu jeder der sechs moralischen Orientierungen. Die Werte können zwischen -4 und +4 variieren. Berechnung der moralischen Segmentierung Für die Berechnung der kognitiven moralischen Segmentierung wird die C-Wert- Differenz zwischen Arbeiter- und Arzt- Dilemma des Moralisches-Urteil-Tests (MUT) berechnet. Die Differenz kann zwischen –100 und +100 variieren. Ein negativer Wert bedeutet, dass die moralische Urteilsfähigkeit beim Sterbehilfe-Dilemma geringer ist als beim Arbeiter-Dilemma. Ab einer Differenz von 8 Punkten wird von kognitiver moralischer Segmentierung (oder auch kurz von Segmentierung) gesprochen.

 

Die Validität der iranischen Version des Standard- MUT

Der MUT wurde vom Deutschen ins Persische übersetzt. Zur Validierung der persischen Version der MUT wurden, wie oben beschrieben, von der Autorin 2004 zwei Validierungsstudien durchgeführt. Die hier verwendete, zertifizierte Version des persischen MUT (Stand: 2004) findet sich auf der Website der AG Moral- und Demokratiepsychologie von Prof. Lind (http:www.uni-konstanz.de/ag-moral/ [22.02.2008]). Für die Beurteilung der Validität der iranischen Version des Standard-MUT können die Ergebnisse der zweiten Voruntersuchung (siehe oben) und der Hauptuntersuchung herangezogen werden. Die Validität des MUT (bzw. der mit ihm gewonnenen Daten) wird empirisch anhand der Übereinstimmung mit drei theoretisch begründeten Kriterien beurteilt. Diese sind wesentlich strenge, als die sonst in der Testpsychologie üblichen Kriterien (Lind, 1978; 2002; 2008).

 

a) Präferenzhierarchie

Nach Rest (1969) und Lind (2008) ist mit einem streng monotonen Anstieg der Zustimmung zu den sechs moralischen Orientierungen zu rechnen. Während die Orientierungen auf den tieferen Stufen meist stark abgelehnt werden, werden die Orientierungen auf den höheren Stufen mit wachsender Stufennummer immer weniger stark abgelehnt. Argumente der Stufe 5 und 6 werden meistens deutlich akzeptiert. Die folgende Graphik zeigt, dass die Antwortmuster der iranischen Studierenden in beiden Untersuchungen der theoretisch vorhergesagten Präferenzhierarchie der sechs moralischen Orientierungen gut entsprechen. In vielen Studien zeigt sich zwischen den Stufen 1 und 2, sowie zwischen den Stufen 5 und 6 eine leichte Abweichung von der theoretisch vorhergesagten Rangfolge (Lind, 2008); nicht so in dieser Untersuchungsgruppe.

Abb. 2: Präferenzhierarchie moralischer Orientierungen (2.Voruntersuchung).

 

Wie die Graphik zeigt, entspricht das Werte-Profil der Voruntersuchung dem Validitätskriterium sehr gut, abgesehen von einer geringen Ablehnung der Orientierung 2 („Orientierung an instrumentellem Realismus“) und einer etwas zu starken Akzeptanz der Orientierung 5 („Orientierung am sozialen Vertrag und gesellschaftlicher Nützlichkeit“).

Abb. 3: Präferenzhierarchie moralischer Orientierungen (Hauptuntersuchung).

 

Auch die Daten der Stichprobe der iranischen Hauptuntersuchung weisen einen monotonen Anstieg von Orientierung 1 zu Orientierung 6 und bestätigen damit das Validitätskriterium der Präferenzhierarchie.

 

b) Quasi-Simplex-Struktur

 

Das Kriterium der Quasi- Simplex- Struktur besagt, dass zwischen benachbarten Stufen die Korrelationen am höchsten sind und mit wachsender Distanz zwischen den Stufen geringer werden.

Abb. 4: Quasi- Simplex Struktur (2. Voruntersuchung).

 

 

In der zweiten Voruntersuchung gab es eine geringfügige Abweichung von der Vorhersage. Vermutlich hängt sie damit zusammen, dass dieses Samples sehr klein war (N=16).

Abb. 5: Quasi- Simplex Struktur (Hauptuntersuchung).

In der Hauptuntersuchung sind die Korrelationen zwischen benachbarten Stufen am höchsten. Die Korrelationen fallen, von einer Ausnahme abgesehen, von den Diagonalen nach außen hin graduell ab. Auch dieses Valdiditätskriterium wird somit von der iranischen Version des MUT sehr gut eingehalten.

 

c) Kognitiv-affektive Parallelität

 

Die kognitiv-affektive Parallelität ist definiert als der Zusammenhang zwischen dem affektiven Aspekt (den sechs moralischen Orientierungen) und dem kognitiven Aspekt (der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit): Je höher die moralische Urteilsfähigkeit, desto stärker soll gemäß dieser Hypothese die vorhergesagte Präferenzhierarchie der sechs Orientierungen ausgeprägt sein.

Abb. 6: Die Parallelität von C-Wert und moralischen Orientierungen (2. Voruntersuchung).

 

Bei den Daten der 2.Voruntersuchung wichen zwei Werte sehr stark von der Vorhersage ab (Orientierung 1 und 3). Der Grund dafür könnte wieder daran liegen, dass das Sample sehr klein war (N=16).

Abb. 7: Die Parallelität von C-Wert und moralischen Orientierungen (Hauptuntersuchung).

Die Analyse der Korrelationen zwischen dem C-Wert und den moralischen Orientierungen in der Hauptuntersuchung zeigen das prognostizierte Muster: Je niedriger die präferierte moralische Orientierung ist, desto niedriger ist die Korrelation mit dem C-Wert. Die Korrelation mit dem C-Wert steigt mit der zunehmenden Präferenz für höhere Orientierungen an. Bei Orientierung 6 ist die Korrelation mit dem C-Wert am höchsten. Insgesamt zeigt die Validitätsprüfung, dass die persische Version des MUT, ebenso wie die deutsche Originalversion, theoriekonform (valide), objektiv (replizierbar) und leistungsabfordernd ist. Die Messung der moralischen Urteilsfähigkeit mit dem MUT ist theoriekonform, d.h. er erfasst die kognitiv-strukturellen Eigenschaften des individuellen Urteilsverhaltens. Er ist objektiv, kann also von anderem Auswertern überprüft werden. Gleichwohl ist er leistungsabfordernd in dem Sinne, dass der Test nicht irgendeine Fähigkeit, sondern die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit misst.

 

 

4.7 Unabhängige Variablen

 

- Quantität von Hochschulbildung; Studienjahre (Querschnittvergleich)

 

Als Maß für die Quantität von Bildung wurde in dieser Studie die Anzahl der Studienjahre gewählt, die ein Studierender aufweist. Um den Einfluss der Bildung zu erfassen wurden Daten bei Studierenden im ersten Studienjahr (Anfänger) und bei Studierenden in den letzten Studienjahren (Endsemester) je nach Fächern erhoben und miteinander verglichen.

 

- Die Qualität der universitären Lernumwelt

 

Die Qualität der universitären Lernumwelt wird anhand der Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme (VÜ) und angeleiteten Reflexionen (AR) der Studierenden erfasst. Der ORIGIN- Fragebogen (Opportunities for Role-Taking and Guided Reflection in College and University Students) zur Messung der Variabeln wurde in Anlehnung an Sprinthall (1994) in der Konstanzer Forschungsgruppe „AG Moral- und Demokratiepsychologie“ zur Erfassung der Lernumwelt an der Hochschule konstruiert (Heberich, 1996; Lind, 2000) und von Schillinger (2006) modifiziert (siehe auch Schillinger-Agati & Lind, 2002). Mit der Annahme, dass Lernen nicht nur in der Schule, sondern überall stattfindet, wurde Lernumwelt in zwei Hauptkategorien (Verantwortungsübernahme und angeleitete Reflexionen) und vier Unterkategorien(curriculare, semi-curriculare, extra-curriculare, non-curriculare) eingeteilt. Mit dem ORIGIN-Fragebogen werden unterschiedliche Lernerfahrungen wie Tutoring, Forschungsassistenz, Mitarbeit in einem Verein etc. erfasst. Der iranische Fragebogen des ORIGIN-Fragebogens besteht aus den zwei Hauptfaktoren, Verantwortungsübernahme und angeleiteter Reflexion. Diese werden durch verschiedene Items zu jeweils zwei Unterkategorien, „curriculare und extra-curriculare“ operationalisiert. Der curriculare Bereich umfasst die Aktivitäten innerhalb eines Studiums, die zum Pflichtcurriculum gehören, wie z. B. Referate halten, Diskussionen durchführen. Der extra-curriculare Bereich erfasst freiwillige Aktivitäten innerhalb der Universitäten, z. B. Teilnahme an der Fachschaft oder Studentischen Gemeinschaft. Angeleitete Reflexionen werden als Möglichkeiten zur Gesprächsführung mit Dozenten, Professoren oder anderen Studenten, definiert. Die Skala variiert von nie (0), selten (1), manchmal (2) bis 3 (oft). Zur Erfassung der Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme im curricularen Bereich wurden 10 Items (59, 60, 61, 62, 63, 64, 70, 71, 72, 73) verwendet. Weitere 9 Items erfassen den extra-curricularen Bereich (57, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82). Zur Erfassung der Gelegenheiten zur angeleiteten Reflexion im curricularen Bereich wurden 3 Items (65, 66, 67) und im extra-curricularen Bereich 5 Items (58, 84, 85, 86, 87) verwendet. Zur Auswertung wurden die Mittelwerte der Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexion berechnet. Anhand des Mittelwerts werden zur Analyse zwei Gruppen gebildet:

Als niedrige Qualität der Lernumwelt gilt, wenn die Anzahl der gesamten Aktivitäten von Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexionen eines Teilnehmers unter dem Mittelwert aller Teilnehmer der Studie liegt.

 

Als hohe Qualität gilt wenn die Anzahl der gesamten Aktivitäten von Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexionen eines Teilnehmers über dem Mittelwert aller Teilnehmer der Studie liegt.

 

- Dogmatische Religiosität

 

Die „dogmatische Religiosität“ richtet sich auf die Erwartung, dass sich ein religiöser Mensch zu bestimmten, grundlegenden Glaubensaussagen bekennt. Die Grundlage sind hierbei Glaubenssätze der muslimischen Moschee. Es wurde untersucht, ob und inwieweit sich die Muslimen zu diesen Doktrinen bekennen. Die festen Bestandteile dieser Aspekte wie „der Glaube an Gott, die Zustimmung zur Bibel bzw. Koran und der Glaube an ein Leben nach dem Tode“ wurden erhoben. Die Skala (Lind & Kietzig 2004) bestand aus zwei Dimensionen „allgemeine Religiosität und dogmatische Religiosität“ und hat insgesamt16 Fragen, die jeweils von –2 (trifft gar nicht zu) bis +2 (trifft ganz zu) variieren. Zur Auswertung wurde der Mittelwert der Antworten auf die Items für dogmatische Religiosität (Items: 36, 37, 40, 41, 42, 43, 44, 46) berechnet. Drei Gruppen wurden gebildet: 1) nicht-dogmatische Studierende, mit einem Mittelwert zwischen –2 und 0, 2) dogmatische Studierende, mit einem Mittelwert zwischen 0 und 1, und 3) sehr-dogmatische Studierende mit einem Mittelwert zwischen 1 und 2. - Sonstige Variablen: Zusätzlich zu den oben genannten Variablen wurden Informationen über Alter und religiöse Umwelt der Studierenden erhoben.

 

 

4.8 Statistische Methoden: Maße der Effektstärke

 

Neben der Varianzanalyse und Signifikanztests wurden Effektstärken berechnet. (Publication Manual of American Psychological Association, 2001). Unter der Effektstärke versteht man das Ausmaß der Wirkung eines experimentellen Faktors. Die statistische Signifikanz misst im Gegensatz dazu den Unterschied zwischen zwei Gruppen in einer Zufallsstichprobe und ist abhängig von der Stichprobengröße und dem gewählten Alpha-Wert.

 

Im Gegensatz zur statistischen Signifikanz misst die Effektstärke diese Wirkung unabhängig von den Stichprobenumfängen. Die meisten Maße der Effektstärke wie das d-Maß und der Korrelationskoeffizient r hängen aber von der Streuung der Variablen ab. Lind (2007) bezeichnet diese Maße daher als Maß für die relative Effektstärke. Zur Berechnung der relativen Effektstärke gibt es ein breites Spektrum von Formeln. Zwei der häufigsten Formeln sind der sogenannte „d-Wert“ von Glass et. al. (1978) und der Korrelationskoeffizient „r“ (Lind, 2007). Der d-Wert ist definiert als die Differenz von Mittelwerten in Relation zur Standardabweichung. d = (M2 – M1) /S Da der d-Wert nach unten und oben nicht begrenzt ist und deswegen schwer einzuschätzen ist, wird in dieser Studie der Korrelationskoeffizient „r„ berichtet. In dieser Studie wird die relative Effektstärke aus dem F-Wert der Varianzanalyse nach unten stehender Formel berechnet (Lind, 2007). r = √ (dfj * F) / (dfj *F + dfi.), dfj = die Freiheitsgrade zwischen den Gruppen dfi =die Freiheitsgrade innerhalb der Gruppen. Der Korrelationskoeffizient „r“ variiert zwischen -1 und +1. Die maximale Effektstärke liegt bei +1, bei 0 ist kein Effekt und bei -1 ist maximale negative Effektstärke zu beobachten. Die relative Effektstärke „ r“ wird definiert als niedrig (>0.1), bedeutend (> 0,2) und sehr bedeutend (>0.3). Die Voraussetzung der relativen Effektstärke ist die Homoskedastizität, das heißt, dass die Varianzen in den unterschiedlichen Studien gleich groß sind.

 

Weil die relative Effektstärke von der Varianz abhängt und verschiedene Varianzen den Vergleich über verschiedene Studien erschweren oder unmöglich machen, wird von Lind (2007) die Berechnung von absoluten Effektstärken empfohlen. Um den Einfluss der Streuung auf die Effektstärke auszuschalten, schlägt Lind (2007) die Verwendung von Maßen für die absolute Effektstärke vor, die unabhängig von der Streuung der Messwerte sind. Beispiele dafür sind reine Mittelwertdifferenzen und adjustierte Mittelwertdifferenzen, bei denen die Differenz von Experimental- und Kontrollgruppen miteinander in Beziehung gesetzt werden. Ihre Berechnung ist auf alle Daten anwendbar (Längsschnitt, Querschnitt und korrelative Daten). Die allgemeinen Formeln für die beiden Fälle sind: Reine Mittelwert-Differenzen (meist aus einem Vergleich von Vorher- und Nachhermessungen):

 

a) abs. ES = (X2 – X1)

X2 = die Mittelwert der zweiten Variabel bzw. der Experimentalgruppe X1 = die Mittelwert der zweiten Variabel bzw. der Kontrollgruppe Adjustierte Effekstärken (meist aus einem Vergleich von Vorher- und Nachermessungen bei Experimental- und Kontrollgruppen):

 

b) abs. ES = (X2 – X1) - (Y2 – Y1)

X2 = die Mittelwert der zweiten Variabel in der Experimentalgruppe X1 = die Mittelwert der ersten Variable in der Experimentalgruppe Y2 = die Mittelwert der zweiten Variabel in der Kontrollgruppe Y1 = die Mittelwert der zweiten Variabel in der Kontrollgruppe In dieser Studie beschreibt die absolute Effektstärke die Differenz zwischen zwei Mittelwerten. Absolute Effekte von mehr als 5% der Skalenbreite werden als „bedeutend“ und absolute Effekte von mehr als 10% der Skalenbreite als „sehr bedeutend“ bezeichnet, d. h. für die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit (Skalenbreite von 0 bis 100) ergibt eine C-Wert Differenz von mindestens 5 Punkten als bedeutend und eine C-Wert Differenz von mindestens 10 Punkte als sehr bedeutend. Für die moralische Orientierung (Skalenbreite von -4 bis +4) ist eine absolute Effektstärke größer als 0.45 bedeutend und größer als 0.9 sehr bedeutend. In dieser Arbeit werden bei der Interpretation der Ergebnisse die absolute Effektstärken verwendet. Die gesamte Auswertung erfolgte mit dem Statistikprogramm SPSS in der Version 11.0. Die Diagramme wurden mit dem Statistikprogramm Statistica, Version 5.0 und 7.0, erstellt. Zur Analysierung der Daten wurde überwiegend die Varianzanalyse bevorzugt, da zur weiteren Berechnung der relativen Effektstärke „dfj sowie F „ nötig sind. Die Voraussetzungen der Varianzanalyse, die Normalverteilung und die Varianzhomogenität, wurden vor der Analyse berücksichtigt. Vor jeder Varianzanalyse wurde zur Überprüfung der Varianzhomogenität der Levené-Test durchgeführt. Alle untersuchten Stichproben auch die kleineren Stichprobenumfänge haben die Voraussetzung der heterogenen Varianzen erfüllt. Dies wird in den Ergebnissen nicht gesondert berichtet (Bortz, 2005).

 

Bei statistisch signifikanten Ergebnissen der Varianzanalyse wurde ein Scheffé - Test durchgeführt. Der Scheffé-Test vergleicht alle möglichen linearen Kombinationen von Gruppenmittelwerten um festzustellen in wie viel und welchen der untersuchten Gruppen ein Unterschied besteht. Er ist konservativer als andere Tests, d. h. dass für ein statistisch signifikantes Ergebnis eine größere Differenz der Mittelwerte erforderlich ist. Er entscheidet somit eher zugunsten der H0. Gleichzeitig ist er gegenüber Verletzungen von Voraussetzungsverletzungen (für die Varianzanalyse) relativ robust ist.

 

 

5. Ergebnisse

 

Unsere Ausgangsfrage war, ob die universitäre Bildung im Iran die moralisch-demokratischen Fähigkeiten von Studierenden im Iran fördert, und ob sich dogmatische Religiosität hemmend auf die Entwicklung dieser Fähigkeit auswirkt.

 

5.1 Der Einfluss von Bildung auf moralische Orientierungen und Fähigkeiten

 

Bevor wir zu der eigentlichen Frage kommen, ob allein die Menge an hochschulischer Bildung, die Studierende im Iran (und anderswo) erfahren, bereits die Entwicklung moralischer Urteils- und Diskursfähigkeit fördert, wollen wir der Fragen nachgehen, die von der Sozialisationstheorie nahegelegt wird, nämlich ob sich Bildung auf den affektiven Aspekt der moralischen Orientierungen auswirkt.

 

a) Verändert Bildung (in einem religiösen Staat) die moralischen Orientierungen?

 

Zur Überprüfung der Annahme, dass Hochschulbildung im Iran die moralischen Orientierungen nicht verändert, wurde eine Varianzanalyse mit Messwiederholung durchgeführt. Es wurde die moralischen Orientierungen zweier Gruppen von Studierenden zu zwei Zeitpunkten verglichen, zum Anfang und zum Ende des Studiums. Es zeigen sich kaum Änderungen (siehe Abbildung 8). Die Studierenden zeigen schon am Anfang des Studiums eine vorwiegende Orientierung an postkonventioneller Moral und behalten diese Orientierung weitgehend bei. Der Bildungs-Effekt ist zwar statistisch signifikant, weist aber nur eine sehr geringe relative Effektstärke auf (r = 0,09; F(5,2685) = 4,40; p<,0005). Vor allem die Orientierung an einer Prinzipienmoral (Orientierung 5 und 6) ist fast völlig stabil. Man kann also nicht sagen, dass das Studium die moralischen Orientierungen merklich beeinflusst, weder im Positiven noch im Negativen.

Abb. 8: Die Präferenz der moralischen Orientierungen im ersten und letzten Studienjahr.

Dieses Ergebnis entkräftet die Sozialisationstheorie, die von einem starken Einfluss von Bildung auf moralische Orientierungen ausgeht.

b) Wirkt sich Bildung auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit aus?

Zur Überprüfung der Hypothese wurde eine einfaktorielle Varianzanalyse mit der abhängigen Variable „C-Wert“ und mit der unabhängigen Variable „Studienjahr“ durchgeführt (r = 0,02; abs. ES = -0,08; F(1,537)=,62; p<,430). Iranische Hochschulbildung, so scheint es, hat keine Wirkung auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit. Die relative- sowie die absolute Effektstärke sind sehr klein. Es zeigt sich sogar eine geringe Tendenz zur Regression dieser Fähigkeiten. Die Bildung scheint somit keinen Einfluss auf die moralische Entwicklung zu haben. In Abbildung 9 werden die mittleren C-Werte (MUT) im ersten und im letzten Studienjahr gegenüber gestellt.

 

Abb. 9 : Die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

 

Der vorliegende Befund bestätigt die Ergebnisse der Untersuchung von Lupu (2009) in Rumänien und der Studie von Schillinger (2006) in Deutschland und Brasilien.

 

Abb. 10: Die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit bei Studierenden aus Brasilien, Deutschland, Rumänien und Iran.

Die absolute Effektstärke der Hochschulbildung auf die moralische Urteilsfähigkeit ist in allen untersuchten Ländern sehr klein. Die Studierenden in Brasilien und im Iran zeigen eine geringe Abnahme der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit im letzten Studienjahr (abs. ES= -1,6 [Brasilien]; abs. ES= -0,08 [Iran]). Die Studierenden aus Deutschland und Rumänien zeigen dagegen einen geringen Zuwachs im letzten Studienjahr (abs. ES= 1,1[Deutschland]; abs. ES= 1,3[Rumänien]). Faktor Studienfach: Das Ausbleiben der Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit zeigt sich in allen drei Fächern, die wir untersucht haben. Bei Studierenden der Medizin und Psychologie zeigt sich eine etwas stärkere Tendenz zur Abnahme der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit (Medizin: abs. ES = -2,7 ; Psychologie : abs. ES = -3,1) als bei Studierenden der Ingenieurwissenschaft, bei denen die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit während des Studiums fast unverändert bleibt (abs. ES= 0,8; Abbildung 11). Das Ergebnis bei den Medizinstudierenden stimmt mit den Befunden aus internationalen Studien überein (Lind 2000, Schillinger, 2006). Abb. 11: Die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit in verschiedenen Fächern. Faktor Universitätstyp: Die Studierenden an den kompetitiven Universitäten haben am Anfangs des Studium eine um vier Punkte höhere moralische Urteils- und Diskursfähigkeit, als die Studierenden an den wenig-kompetitiven Hochschulen (r = 0,14; abs. ES = 4; F(1,526) = 11,36; p<,0008 ; Abbildung 12).

 

Abb. 12: Die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit von Studierenden (am Anfang des Studiums) in kompetitiven und wenig-kompetitiven Universitäten.

 

Weder in kompetitiven noch in wenig-kompetitiven Universitäten ist bei den Studierenden ein Zuwachs der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit während des Studiums zu beobachten (r = 0,04; abs. ES = -0,3; F(1,522) = .01; p<,9129).

 

Abb. 13: Die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit der Studierenden in kompetitiven und wenig-kompetitiven Universitäten.

Die Unterschiede in den C-Werten beruhen allein auf den unterschiedlichen Anfangswerten. Die moralische Urteilsfähigkeit scheint also direkt oder indirekt eine Rolle bei der Wahl der Universität zu spielen. Studierende mit hoher moralischer Urteilsfähigkeit wählen eher kompetitive Universitäten. Dieser Befund stützt die Annahme, dass moralische Urteilsfähigkeit eine wichtige Rolle bei den fachlichen Leistungen spielt (Bühn 1995; Lenz, 2006; Gross, 2009).

 

 

5.2 Der Einfluss der Bildungsqualität auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit

 

Die bisherigen Ergebnisse zeigten, dass die Menge an Bildung (ausgedrückt als Zahl der Studienjahre) allein die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit von iranischen Studierenden nicht fördert. Das wird von der Bildungstheorie von Lind (2002) vorhergesagt. Es sei vielmehr die Qualität der Bildung, die dies bewirken kann, vor allem die Zahl der Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexionen. Zur Überprüfung dieser bildungstheoretischen Hypothese haben wir diese Indikatoren für gute Lernqualität miteinander verglichen und mit der Moralentwicklung in Beziehung gesetzt. Für jeden Studierenden wurde ein gemeinsamer Index aus den Mittelwerten der angegebenen Menge der Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexionen gebildet (Verantwortungsübernahme: M= 0,82, SD= 0,57; angeleitete Reflexionen: M=1,2 SD=0,73). Die Studierenden wurden dann in zwei Gruppen nach der Qualität ihrer Bildungsgelegenheiten aufgeteilt: „niedrige Qualität“ wenn Studierende unter den Mittelwert liegen und „hohe Qualität“ wenn Studierende über den Mittelwerten liegen. Nur 37 % der Studierenden berichten eine hohe Bildungsqualität. Über 62 % der Studierenden berichten von einer niedrigen Bildungsqualität.

 

a) Fördern Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexion die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit?

 

Zur Überprüfung der Hypothese, dass die Qualität der Bildung einen fördernden Einfluss auf die Moralentwicklung hat, wurde eine zweifaktorielle Varianzanalyse mit dem „C-Wert“ als abhängiger Variablen und mit „Bildungsqualität“ und „Studienjahr“ als unabhängiger Variablen durchgeführt. Die Bildungsqualität hat einen positiven, wenn auch geringen Einfluss auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit (Tabelle 3 und Abb. 14).

 

Bildungsqualität

Bildungsquantität /N

C-Wert

F

P

r

abs. ES

M

SD

Niedrige Qualität

erstes Studienjahr /222 letztes Studienjahr/125

18,4 16,5

13,3 12,3

(1,535)=1,46

,228

0,05

2,8*

Hohe Qualität

erstes Studienjahr /83 letztes Studienjahr/109

17 17,9

11,6 14

*abs. ES = (X2 – X1) - (Y2 – Y1)= (17,9 – 17,0) - (16,5 – 18,4) = 0,9 – (-1,9) = 2,8

Tab. 3: Der Einfluss der Qualität von Bildung auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

Abb. 14: Der Einfluss von Qualität der Bildung auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

 

 

Die Hypothese lässt sich bestätigen. Die absolute Effektstärke beträgt 2,8 C-Punkte ([17,9 - 17] - [16,5 - 18,4] = 2,8) und zeigt, dass die Qualität der Bildung einen geringen Einfluss auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit hat. Studierende zeigen erwartungsgemäß eine Abnahme der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit, wenn die Bildungsqualität niedrig ist und eine Zunahme der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit, wenn die Bildungsqualität hoch ist. Eine Gegenüberstellung des Ergebnisses dieser Studie mit den Ergebnissen aus der Untersuchung von Lupu (2009) und Schillinger (2006) zeigt deutlich, dass der Effekt der Bildungsqualität auf die moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit bei iranischen Studierenden zwar vorhanden ist, jedoch niedriger ausfällt, als in den oben genannten Studien.

 

Abb. 15: Der Effekt der Qualität der Bildung auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit bei Studierenden aus Deutschland, Brasilien, Rumänien und Iran.

 

Der Effekt der Qualität der Bildung auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit zeigt sich sehr deutlich bei Studierenden aus Deutschland und Rumänien. Hier führt eine hohe Qualität der Bildung zum Zuwachs der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit, eine niedrige Bildungsqualität führt zur Abnahme der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit (abs. ES= 16,3 [Deutschland]; abs. ES= 8[Rumänien]).

 

Studierende aus Brasilien und Iran zeigen jedoch keinen Zuwachs der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit, wenn die Bildungsqualität hoch ist. Bei einer niedrigen Bildungsqualität zeigen Studierende aus Brasilien eine starke Regression (abs. ES= -10,5 [Brasilien]). Faktor Studienfach: Der gleiche Befund ergibt sich, wenn man der Effekte der Qualität der Bildung nach Studienfächern getrennt analysiert (r = 0,04; F(2,526) = 0,49; p<,6143). Die Berechnung der absoluten Effektstärke zeigt, dass die Qualität der Bildung einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit bei den Psychologie-Studierenden hat. Wenn Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexion vorhanden sind, zeigen die Psychologie-Studierenden einen Zuwachs der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit. Wenn aber die Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexionen zu niedrig sind, zeigen die Studierenden eine starke Abnahme der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit im letzten Studienjahr (abs. ES = ([10,9-18,3] – [21,6-20,1] = 8,9). Bei Studierenden der Ingenieurwissenschaft hat die Qualität der Bildung einen geringen Einfluss (abs. ES = ([18,7 -18,8] – [19,4 – 16,1] = 3,4). Eine Ausnahme bilden hier die Studierenden der Medizin. Sowohl in einer hohen als auch in einer niedrigen Bildungsqualität bildet sich bei ihnen die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit zurück (abs. ES = ([14,7 -18] – [14,7 – 16,3] = -1,7).

Faktor Universitätstyp: Bezüglich des Effekts der Qualität der Bildung auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit weisen die Studierenden in kompetitiven und wenig-kompetitiven Universitäten keinen Unterschied auf (r = 0,04; F(1,518) = 0,06; p<,799). Die absolute Effektstärke liegt hier bei 3,2 (abs. ES= ([19,6 - 18,5] - [17,7 - 19,8] = 3,2) an der kompetitiven Universität. Die Bildungsqualität hat einen geringen Einfluss auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit in der kompetitiven Universität. In der wenig-kompetitiven Universität hat die Qualität der Bildung keinen Einfluss auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit der Studierenden (abs. ES= [15,3 -14,6] – [14,4 - 15,7] =2; Abbildung 17).

Abb. 16: Der Effekt der Qualität der Bildung auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit in unterschiedlichen Fächern.

 

Zusammenfassend deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexion an iranischen Universitäten tendenziell zur Förderung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit beitragen. Das Ergebnis verändert sich auch nicht (bis auf geringe Abweichungen), wenn man den Effekt der Qualität der Bildung getrennt nach Studienfächern und Universitätstyp analysiert.

Abb. 17: Die Effekte der Qualität der Bildung auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit in kompetitiven und wenig-kompetitiven Universitäten.

 

 

5.3 Der Einfluss von dogmatischen Religiosität auf moralische Orientierungen und Fähigkeiten

 

Die vorherigen Ergebnisse haben gezeigt, dass die Qualität der Bildung nur wenig zur Förderung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit an iranischen Universitäten beiträgt. In dieser Studie wurden nur curriculare und extra-curriculare Gelegenheiten zu Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexion untersucht. Aus dem Blickwinkel der Bildungstheorie wäre zu vermuten, dass der zusätzliche Einbezug von semi-curricularen, sowie von non-curricularen Gelegenheiten zu moralischen Fähigkeiten erbracht hätte. Zudem lässt sich annehmen, dass der Grund dafür im hemmenden Einfluss der dogmatischen Religiosität auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit liegt. Die dogmatische Religiosität „bremst“ den positiven Einfluss einer hohen Bildungsqualität auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit. Im weiteren Verlauf wird der Effekt der dogmatischen Religiosität auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit untersucht. Bezüglich der dogmatischen Religiosität erreichen die iranischen Studierenden einen Mittelwert von 0,94 (M = 0, 94; SD = 0,89) auf einer Skala von –2 bis +2. Studierende wurden in drei Gruppen eingeteilt: nicht-dogmatisch (von -2 bis 0), dogmatisch (von 0 bis 1) und sehr-dogmatisch (von +1 bis +2). 16,5 % der Studierenden haben nicht-dogmatische Einstellungen, über 30 % haben dogmatische und über 53 % sehr-dogmatische Einstellungen. Somit haben 80 % der untersuchten Studierenden dogmatische bzw. sehr dogmatische Einstellungen.

 

a) Verändert die dogmatische Religiosität die moralische Orientierung?

 

Zur Überprüfung der Hypothese wurde eine Varianzanalyse mit Messwiederholung mit „moralische Orientierung“ als Messwiederholungsfaktor und mit „dogmatischer Religiosität“ als abhängiger Variable durchgeführt. Die Interaktion zwischen den Variablen „Moralstufe“ und „dogmatischer Religiosität“ ist statistisch signifikant, hat aber nur eine geringe relative Effektstärke (r = 0,09; F(10,2690) = 2,55; p<,0046). Das deutet darauf hin, dass alle Studierenden, unabhängig von ihrer Religiosität, hohe moralische Orientierung haben bzw. Argumente höherer moralischer Orientierungen präferieren. Nicht-dogmatisch religiöse Studierende haben moralische Orientierungen, die dogmatisch-religiösen Studierenden sehr ähnlich sind (Abbildung 18). Nur bezüglich der Argumente der Orientierung 3 („Missbilligung durch andere zu vermeiden bzw. ihre Anerkennung zu erreichen.“) zeigen die drei Gruppen deutliche Unterschiede. Die sehr dogmatisch-religiösen Studierenden akzeptieren Argumente der Orientierung 3 viel stärker als die nicht-dogmatischen Studierenden (abs. ES= 0,0-(-0,4)=0,4).

 

 

Abb. 18: Die Präferenz für die moralischen Orientierungen in Abhängigkeit von dogmatischer Religiosität.

 

Bezüglich der moralischen Orientierung lassen sich keine Unterschiede zwischen den drei Gruppen feststellen. Das Ergebnis unterstützt die Bildungstheorie und widerlegt die Annahme der Sozialisationstheorie, die von einem positiven Zusammenhang zwischen Religion und Moral ausgeht. Die Bildungstheorie nimmt an, dass die dogmatische Religiosität keinen Einfluss auf die moralische Orientierung hat. Jedoch hat sie einen negativen Einfluss auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit.

 

b) Hemmt dogmatische Religiosität die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit?

 

Das Ergebnis der einfaktoriellen Varianzanalyse mit dem „C-Wert“ als abhängiger Variable und „dogmatischer Religiosität“ als unabhängige Variable ist statistisch signifikant und hat eine moderate relative Effektstärke. Die dogmatische Religiosität beeinflusst die moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

dogmatische Religiosität

N

C-Wert

F

P

r

abs. ES

Mittelwert

SD

nicht-dogmatisch

141

20,6

12,5

(2,535)=4,64

,010

0,13

4,2

dogmatisch

65

20,1

13,3

sehr-dogmatisch

411

16,3

12,4

Tab. 4: Die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit der nicht-dogmatischen, dogmatischen und sehr-dogmatischen Studierenden.

 

Das Ergebnis des Scheffé-Tests zeigt, dass nicht-dogmatische Studierende eine höhere moralische Urteils- und Diskursfähigkeit im Vergleich zu sehr-dogmatischen Studierenden haben. Die Differenz zwischen den C-Werten der nicht-dogmatischen und sehr-dogmatischen Studierenden beträgt 4.2 (abs. ES= 20,4-16,2= 4,2) .

Abb. 19: Die Effekte der dogmatischen Religiosität auf die moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

 

Die Annahme, dass dogmatische Religiosität die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit hemmt, wird durch unsere Daten also deutlich bestätigt.

 

c) Bremst dogmatische Religiosität die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit?

 

1) Effekt der dogmatischen Religiosität auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

 

Der Vergleich der Mittelwertdifferenzen der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit der drei Gruppen während des Studiums zeigt, dass starker religiöser Dogmatismus die Entwicklung moralischer Urteils- und Diskursfähigkeit stark hemmt (Tabelle 5, Abbildung 20). Die abs. ES ist 4,1 (bei Vergleich der beiden Extremgruppen). Während die nicht-dogmatischen Studierenden einen geringen Zuwachs der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit im Studienverlauf zeigen (abs. ES= 1,1), sinkt die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit der dogmatischen - und sehr dogmatischen Studierenden (abs. E.S=-1,3[dogmatisch];abs. ES= -3[sehr-dogmatisch]).

 

dogmatische Religiosität

Bildungsquantität /N

C-Wert

F

P<

r

Mittelwert

SD

abs. ES

nicht-dogmatisch

erstes Studienjahr /32 letztes Studienjahr /59

19,7 20,8

12,1 13,3

(2,531)=0,83

,437

0,05

1,1

4,1

dogmatisch

erstes Studienjahr /89 letztes Studienjahr / 76

19,4 18,1

13,1 13

-1,3

sehr-dogmatisch

erstes Studienjahr/183 letztes Studienjahr /99

17,2 14,2

12,8 12,6

-3

Tab. 5: Zweifaktorielle Varianzanalyse: Auswirkung der dogmatischen Religiosität auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

 

 

Abb. 20: Der Effekt der dogmatischen Religiosität auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

 

Eine Gegenüberstellung dieses Befunds mit dem Befund aus Rumänien (Lupu 2009) zeigt, dass der hemmende Effekt einer dogmatischen Religiosität nicht nur auf iranische Studierende beschränkt ist.

.

Abb. 21: Der Effekt von dogmatischer Religiosität auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit bei Studierenden aus Rumänien und Iran.

 

Bei den beiden Ländern ergibt sich das gleiche Muster. Die sehr-dogmatischen Studierenden haben im ersten Studienjahr eine niedrigere moralische Urteils- und Diskursfähigkeit im Vergleich zu den anderen Studierenden. Ihre moralische Urteils- und Diskursfähigkeit bildet sich während des Studiums zurück (abs. ES = -2,8 [Rumänien]; abs. ES = -3,5 [Iran]). Dagegen verzeichnen die nicht-dogmatischen Studierenden aus dem Iran und gering-dogmatische Studierende aus Rumänien einen Zuwachs der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit im Studienverlauf (abs. ES = 4,9 [Rumänien]; abs. ES = 1,1[Iran]).

 

 

2) Effekt der dogmatische Religiosität und Bildungsqualität auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

 

Die Überprüfung der Hypothese erfolgt durch eine Varianzanalyse mit dem „C-Wert“ als abhängiger und mit „dogmatischer Religiosität“, „Qualität der Bildung“ und „Studienjahr“ als unabhängigen Variablen. Die Interaktion zwischen dogmatischer Religiosität, Qualität der Bildung und Studienjahr ist statistisch nicht signifikant und hat keine bedeutende relative Effektstärke (r = 0,01; F(1,439) = 0,06; p<,8140). Die nicht-dogmatischen Studierenden wurden von der Analyse ausgeschlossen, da die Stichprobe bei hoher Bildungsqualität sowohl im ersten als auch im letzen Studienjahr weniger als 10 Personen beinhaltete. Die Abbildung 22 zeigt den Effekt der Qualität der Bildung auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit bei dogmatischen und sehr-dogmatischen Studierenden.

 

Abb. 22: Der Effekt von dogmatischer Religiosität und Qualität der Bildung auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

 

Die Berechnung der absoluten Effektstärke zeigt, dass die Qualität der Bildung einen positiven Einfluss auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit hat. Es scheint, als ob die Bildungsqualität den „Bremseffekt“ dogmatischer Religiosität auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit neutralisiert. Sehr deutlich wird der positive Effekt der Qualität der Bildung bei den dogmatisch-religiösen Studierenden. Bei dogmatisch-religiösen Studierenden nimmt die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit bei hoher Bildungsqualität (mit Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexion) zu, bei niedriger Bildungsqualität ab (abs. ES = [21 -18,3] – [15,6 – 19,7] =6,8). Bei den sehr-dogmatischen Studierenden führt eine hohe Bildungsqualität dazu, dass die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit nicht abnimmt. Wenn aber die Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexionen fehlen, bildet sich die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit zurück (abs. ES = ([15,9 -15,7] – [12,4 - 17,8] =5,6).

 

Eine Gegenüberstellung der Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit der sehr-dogmatischen Studierenden aus dem Iran und Rumänien in Abhängigkeit von Qualität der Bildung zeigt, dass der negative Einfluss der dogmatischen Religiosität auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit bei hoher Bildungsqualität in beiden Ländern neutralisiert wird (abs. ES= 0,8 [Rumänien]; abs. ES = 0,2 [Iran]). Dagegen ergibt sich bei einer Kombination von dogmatischer Religiosität und niedriger Bildungsqualität ein deutlicher Rückgang der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit (abs. ES = -5,3 [Rumänien]; abs. ES= -5,4 [Iran]).

 

Abb. 23: Der Effekt der dogmatischen Religiosität und Qualität der Bildung auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit bei Studierenden aus Rumänien und Iran.

 

 

5.4 Der Effekt der dogmatischen Religiosität auf die Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit

 

a) Führt dogmatische Religiosität zur Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit?

 

Eingangs wurde vermutet, dass dogmatische Religiosität nicht nur die Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit bremst, sondern sie auch „segmentiert“. Von Segmentierung sprechen wir, wenn die Kennwerte für moralische Urteilsfähigkeit in zwei Situationen stark (mehr als acht C-Punkte) auseinanderliegen (siehe Methoden).

Abb. 24: Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

 

Diese Hypothese wird durch die Daten dieser Studie bestätigt. Das Phänomen der kognitiv-moralischen Segmentierung ist bei iranischen Studierenden im hohen Maße ausgeprägt. Ihre moralische Urteils- und Diskursfähigkeit liegt im Arzt-Dilemma, in dem es um Sterbehilfe geht, um 18 C-Punkte niedriger, als im religiös neutralen Arbeiter-Dilemma (Abbildung 24). Ein Gegenüberstellung der Daten dieser Untersuchung mit den Daten aus der Untersuchung von Lupu (2009) und Lind (2003) zeigt deutlich: Je stärker die Autorität der Kirche bzw. Moschee in einem Land ist, desto ausgeprägter ist das Phänomen der Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

Abb. 25: Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit bei Studierenden aus Iran, Mexiko, Rumänien und Deutschland.

Bei iranischen Studierenden mit sehr ausgeprägter schiitischer Ideologie, gefolgt von Studierenden aus Mexiko mit stark katholischem Hintergrund sieht man die Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit sehr deutlich. In Rumänien, in dem nach dem Kommunismus, die Rumänisch-Orthodoxe Kirche ein Teil der rumänischen Gesellschaft geworden ist, ist die Segmentierung vorhanden, aber im Vergleich zu iranischen und mexikanischen Studierenden geringer. In Deutschlands säkularer Gesellschaft ist das Phänomen nicht zu finden.

 

Faktor Religiosität: Die Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit hängt offenbar mit religiösem Dogmatismus zusammen. Sie ist bei sehr-dogmatisch-religiösen Studierenden um 9,2 C-Punkte höher als bei den nicht-dogmatischen Studierenden (Abbildung 26). Dies bestätigt auch das Ergebnis der Varianzanalyse mit „Segmentierung“ als abhängiger Variable und mit „dogmatischer Religiosität“ als unabhängiger Variablen (r = 0.11; F(2,534) = 3,56; p<,0291). Die Abbildung 26 stellt die Mittelwerte der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit der nicht-dogmatischen, dogmatischen und sehr-dogmatischen Studierenden gegenüber. Wie stark die iranische Gesellschaft religiös geprägt ist, zeigt die Tatsache, dass selbst die „nicht-dogmatisch religiösen“ Studierenden einen hohen Grad der kognitiv-moralischen Segmentierung aufweisen.

 

Abb. 26: Der Effekt der dogmatischen Religiosität auf die Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

 

Die Ergebnisse zeigen somit erstens eine sehr ausgeprägte Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit bei iranischen Studierenden und zweitens, dass diese bei sehr-dogmatischen Studierenden viel ausgeprägter ist. Die Studierenden weigern sich über das Sterbehilfe-Dilemma eine eigene Meinung zu bilden und die Pro- und Contra-Argumente für diese Tat nach ihrer Akzeptabilität zu beurteilen.

 

 

5.5 Der Einfluss vom Alter und religiösem Umfeld auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit

 

a) Steigt die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit mit zunehmendem Alter?

 

Zwischen dem Alter der Studierenden und der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit wurde keine bedeutende Korrelation gefunden (r (809) = -,04, p< ,166).

Das Ergebnis widerlegt die Annahme der Reifungstheorie und ist im Einklang mit der Bildungstheorie, die behauptet dass die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit stagniert, wenn sie nicht durch fördernde Bildungsmaßnahmen stimuliert wird.

 

b) Hemmt ein religiöses Umfeld die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit?

 

Auf den ersten Blick scheint es, dass das Studieren in einem sehr-religiösen Umfeld (Mashhad)– im Gegensatz zum Studieren in einem weniger- religiösen Umfeld (Tehran) – keinen Einfluss auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit hat (C-Wert = 17,8[sehr-religiöses Umfeld]; C-Wert = 17,5[weniger- religiöses Umfeld]), (r = 0,04; F(1,539) = 0,07; p<,7960). Wenn man diese Entwicklung während des Studiums näher untersucht, unterscheiden sich die Studierenden im sehr-religiösen (Mashhad) und im wenig-religiösen Umfeld (Tehran) (r = 0,17; F(1,415)= 13,00; p<,0003). Studierende im sehr-religiösen Umfeld verzeichnen eine bedeutsame Abnahme der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit im letzten Studienjahr (abs. ES = -6,4). Dagegen zeigen Studierende im wenig-religiösen Umfeld eine Tendenz zum Anstieg der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit (abs. ES = 3,7). Studierende, die in einem sehr – religiösen Umfeld studieren, unterscheiden sich im letzten Studienjahr von Studierenden in einem wenig- religiösen Umfeld um 8,3 C-Punkte.

 

Abb. 27: Der Effekt des religiösen Umfelds auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit.

 

 

5.6 Ergebnisse im Überblick

 

Hypothese

Bildungstheorie

Andere Theorien

Ergebnisse

1. Der Einfluss der Bildung auf die Entwicklung den affektiven und kognitiven Aspekt des moralischen (Urteils-) Veralten.

1a) Bildung hat keinen Einfluss auf die morali-sche Orientierungen. 1b) Bildung hat einen geringen positiven Ein-fluss auf die moralische Urteils- und Diskurs-fähigkeit.

1a) Sozialisationstheorie: Studierende in letztem Studienjahr haben höhere moralische Orientierun-gen als Studierende im ersten Studienjahr. 1b)Reifungstheorie: die moralische Fähigkeit steigert mit erhöhter Semesterzahl. Die mora-lische Fähigkeit kann sich nicht zurückbilden. Hohe Korrelation zwi-schen Alter und mora-lischen Fähigkeiten.

1a) Bildung hat keinen Einfluss auf die moralische Orientierungen, r=0,09 <= Bestätigung der Bil-dungstheorie 1b)Bildung hat keinen Ein-fluss auf die moralische Urteils und Diskursfähig-keit, r=0,03; abs. ES= -0,08. Keine Korrelation zwi-schen Alter und moralischen Fähigkeiten. = Bestätigung der Bildungstheorie

2. Der Einfluss der Qualität der Bildung auf die moralische Urteils- und Diskurs-fähigkeit.

2a) Qualität der Bil-dung hat einen bedeu-tenden Einfluss auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit.

2a) Sozialisationstheorie: keine Veränderung des moralischen Urteils. 2a)Reifungstheorie: Der Einfluss des Studienjahrs auf die moralische Ur-teilsfähigkeit ist stärker als der Einfluss der Qua-lität der Bildung.

2a) Die Qualität der Bil-dung hat einen geringen positiven Einfluss auf die Entwicklung der morali-schen Urteils- und Dis-kursfähigkeit, r=0,05; abs. ES=2,8 = Bestätigung der Bil-dungstheorie

3. Der Einfluss der dog-matischen Religiosität auf die Entwicklung den affektiven und kognitiven Aspekt des moralischen (Urteils) Verhaltens

3a) Dogmatische Reli-giosität hat keinen Ein-fluss auf die moralischen Orientierungen.

3a)Sozialisationstheorie: Dogmatische Religiosität beeinflusst positiv die Übernahme höherer moralischer Orientierungen.

3a) Dogmatische Religiosität hat keinen Einfluss auf die moralische Orien-tierung, r=0,09 = Bestätigung der Bildungstheorie

3b) Dogmatische Reli-giosität hat keinen negativen Einfluss auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit. 3c) Dogmatische Reli-giosität neutralisiert den positiven Einfluss einer hohen Bildungsqualität.

3b) Sozialisationstheorie: keine Veränderung des moralischen Urteils. 3c) Sozialisationstheorie: keine Veränderung des moralischen Urteils. .

3b) Dogmatische Religio-sität hat einen negativen Einfluss auf die moralische Urteils- und Diskursfähig-keit, r=0,13; abs. ES= 4,2 = Bestätigung der Bi-ldungstheorie 3c) Die Qualität der Bil-dung hat einen positiven Einfluss auf die Entwick-lung der moralischen Ur-teils- und Diskursfähigkeit der dogmatischen (abs. ES=6,8) und sehr dogma-tischen Studierenden (abs. ES=5,6) = Bestätigung der Bil-dungstheorie

4. Der Einfluss der dogmatischen Religio-sität auf Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähig-keit.

4a) Segmentierung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit steigt mit Dogmatismus. Niedrigere moralische Urteils- und Diskursfähigkeit im Doktor-Dilemma im Vergleich zum Arbeiter-Dilemma.

4a) Sozialisationstheorie: keine Veränderung des moralischen Urteils.

4a) Dogmatische Religi-osität führt zur Segmen-tierung der moralischen Urteils- und Diskursfä-higkeit, niedrigere mora-lische Urteils- und Dis-kursfähigkeit im Arzt -Dilemma im Vergleich mit dem Arbeiter-Dilemma, abs. ES= -18,86 - Segmentierung ist bei dem dogmatischen (abs. ES= -21,3) und sehr dogmatischen (abs. ES= -22,6) Studierenden aus-geprägter als bei nicht-dogmatischen Studieren-den (abs. ES= -13,6). = Bestätigung der Bildungstheorie

 

 

6. Diskussion

Die zentrale Frage dieser Studie war, ob eine Förderung moralischer Fähigkeiten durch universitäre Bildung auch in einer Kultur möglich ist, in der dogmatische Religiosität alle Bereich des öffentlichen Lebens, eben auch die Bildungsinstitutionen durchdringt. Oder ob sich die Religiosität der Studierenden als Hindernis für die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit auswirkt. Bei dieser Studie standen einige Annahmen über die Bedingungen für moralisches Lernen auf dem Prüfstand, die sich teilweise widersprechen. Es galt herausfinden, welche der Theorien für die Forschungsfragen die besten Vorhersagen ermöglichen. Unsere zwei zentralen Ausgangsfragen waren: 1. Reicht Bildung per se aus, um die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit zu fördern, oder müssen weitere Bedingungen erfüllt sein? 2. Stellt dogmatische Religiosität eine Vorbedingung für die Entwicklung von moralischen Fähigkeiten dar, wie oft behauptet wird, oder hemmt sie diese, wie andere annehmen? Wenn Bildung die moralischen Fähigkeiten nicht fördert, liegt der Grund in einem Mangel an Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteter Reflexion an den Universitäten oder wirkt sich die Religiosität der Studierenden als Hindernis für die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit aus?

 

Die in dieser Forschungsarbeit von der Autorin vertretenen Annahmen zum Verhältnis von Moral, Bildung und Religiosität wurden aus der Bildungstheorie der Moralentwicklung (Lind, 2002) abgeleitet. Bezüglich des Einflusses von Bildung auf die Moralentwicklung kommt die Bildungstheorie (Lind, 2002) zu anderen Annahmen, als genetische Reifetheorien und Sozialisationstheorien. Auf ihrer Grundlage wurde angenommen, dass es bei der Förderung der moralischen Fähigkeiten nicht auf die Dauer, sondern auf die Qualität der Bildung ankommt (Lind 2000a; Schillinger, 2006; Lupu, 2009). Die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit kann sich auch an der Universität zurückbilden, wenn notwendige Lerngelegenheiten für ihre Förderung fehlen. Nur eine angemessene Menge von Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexionen führt zu einem Anstieg der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit. Im Gegensatz zur Bildungstheorie geht die Reifungstheorie davon aus, dass die Moralentwicklung mit der Zeit zunimmt und die Bildungslänge allein schon mit Indikatoren der moralischen Reife korreliert. Die zweite zentrale Annahme der Studie war, dass die dogmatische Religiosität einen hemmenden Einfluss auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit hat und dass sie sogar dazu in der Lage ist, den positiven Einfluss einer hohen Bildungsqualität auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit zu verhindern. Nach der Bildungstheorie sind moralische Orientierungen zumeist angeboren. Dogmatische Religiosität ist nicht in der Lage sie zu verändern. Doch kann dogmatische Religiosität die Fähigkeit, gemäß dieser Orientierungen zu urteilen und zu handeln negativ beeinflussen. Im Kontrast dazu geht die Sozialisationstheorie davon aus, dass es zwischen Religiosität und Moral (im Sinne von moralischen Orientierungen) einen positiven Zusammenhang gibt. Somit nimmt man auf ihrer Grundlage an, dass die Vermittlung moralischer Orientierungen entscheidend für die moralische Entwicklung ist.

 

Die Ergebnisse der vorliegenden umfangreichen Untersuchung an iranischen Studierenden zeigen, dass mit der Menge an Bildung nicht automatisch das moralische Urteilsvermögen steigt. Zwischen Anfang und Ende des Studiums ist bei den Studierenden in der Stichprobe keine Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit festzustellen. Studierende im ersten Studienjahr besitzen dieselbe, bzw. eine geringfügig höhere moralische Urteils- und Diskursfähigkeit wie Studierende am Ende ihres Studiums. Die Qualität der Bildung hat an iranischen Universitäten nur einen geringen positiven Einfluss auf die Förderung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit der Studierenden. Dieses Ergebnis weicht vom bisherigen Forschungsstand ab. Bisher wurde die Qualität der Bildung als positiver Einflussfaktor für die Entwicklung des moralischen Urteilsvermögens sehr deutlich bestätigt. Dass die Bildungsqualität die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit bei iranischen Studierenden nicht fördern kann, scheint durch den negativen Einfluss der Religion bzw. den Grad der individuellen dogmatischen Religiosität der Studierenden bedingt zu sein. Untersuchungen in Deutschland und Brasilien (Schillinger, 2006) und Rumänien (Lupu, 2009), haben den fördernden Einfluss der Qualität einer hohen Bildung nachgewiesen. Religion bzw. dogmatisch-religiöse Einstellungen hatten bei der Entwicklung moralischer Urteils- und Diskursfähigkeit keinen Einfluss. Deutschland und Brasilien sind als säkulare Gesellschaften zu bezeichnen, in denen Religion auf öffentlich sichtbarer Ebene kaum eine Rolle spielt, sondern (wenn überhaupt) vornehmlich im Privaten stattfindet. Rumänien als ehemals kommunistisches (also atheistisches) Land, erlebt in letzter Zeit eine Re-Religiosierung (Lupu, 2009). Im Iran dagegen bestimmt die Religiosität das gesamte soziale Leben und dringt sowohl in die öffentlichen als auch in die privaten Lebensbereiche ein. Wie in Abschnitt 2.2.5 beschrieben, ist die Hochschullehre durch stark islamistisch geprägte Lehrpläne reglementiert. Entsprechend den Annahmen der Bildungstheorie bestätigen die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung, dass dogmatische Religiosität die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit hemmt. Dabei ist sie in der Lage die positive Wirkung einer hohen Bildungsqualität zu unterdrücken. Hierbei scheint der Grad der dogmatischen Religiosität einen negativen Einfluss auf die Entwicklung des moralischen Urteilsvermögens zu haben. Dieser drückt sich auch in einer Segmentierung des moralischen Urteils aus. Diese Segmentierung ist umso ausgeprägter, desto stärker die dogmatische Religiosität ist. Anhand der erhobenen Daten sollte in der vorliegenden Studie auch geprüft werden, welche der gängigen Theorien eher zutrifft: Sozialisationstheorie, Reifungstheorie oder Bildungstheorie (vgl. Lind, 2002). Die Daten der vorliegenden Studie bestätigen somit die Annahmen der Bildungstheorie. Die Qualität einer Bildung, gekennzeichnet durch ein gutes Maß von Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexionen, ist der wichtigste Förderfaktor für die Entwicklung moralischer Fähigkeiten. Dogmatische Religiosität jedoch hemmt diese Entwicklung.

 

 

6.1 Verantwortungsübernahme in Begleitung von angeleiteten Reflexionen ist eine notwendige Bedingung für die Moralentwicklung

 

Bildung.

 

Die Wirkung von Hochschulbildung auf die moralische Entwicklung wurde in der vorliegenden Studie in zweifacher Hinsicht untersucht, erstens, anhand ihrer Auswirkung auf moralische Orientierungen (affektiver Aspekt des Verhaltens) und zweitens, hinsichtlich ihres Einflusses auf die Förderung moralischer Fähigkeiten (kognitiver Aspekt des Verhaltens).

Hinsichtlich des ersten Aspekts zeigen Studierende im letzten Jahr weitgehend dieselben moralischen Orientierungsmuster wie im ersten Jahr. Universelle moralische Prinzipien werden stärker bevorzugt als alle anderen moralischen Orientierungen. Die Hochschule scheint demnach keine Änderung der moralischen Einstellungen zu bewirken. Ähnliche Untersuchungen (Lind, 2000; Schillinger, 2006; Lupu, 2009) kommen hier zu dem gleichen Schluss. Der affektive Aspekt des moralischen Urteilsverhaltens verändert sich im Laufe des Studiums kaum. Bezüglich der moralischen Urteilsfähigkeit findet sich bei den iranischen Studierenden keine Anzeichen für eine Entwicklung im Studienverlauf. Vielmehr zeigt sich ein geringer Abfall (abs. ES = -0,8). Die Ergebnisse bestätigen, dass die Entwicklung der moralischen Fähigkeiten kein invarianter Prozess ist, wie Kohlberg (1984) behauptet. Moralische Fähigkeiten können sich auch zurückbilden, wenn bestimmte förderliche Lernbedingungen fehlen. Für eine Förderung der moralischen Urteilsfähigkeit ist die Beteiligung an Lerngelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteter Reflexion erforderlich. Die Kontinuität und Intensität dieser Erfahrungen spielen hierbei eine wichtige Rolle. Qualität der Bildung. Iranische Studierende erfahren nur äußerst selten Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme. Allenfalls eine Minderheit kann diese in geringem Umfang wahrnehmen. Diejenigen, die solche Gelegenheiten haben, zeigen im Studienverlauf in der Regel einen stärkeren Zuwachs an moralischer Urteils- und Diskursfähigkeit. Dieser Zusammenhang ist bei den iranischen Studierenden jedoch schwächer als in bisherigen Studien (Lind, 2000; Schillinger, 2006; Lupu, 2009). Dies hängt zum einem damit zusammen, dass die förderlichen Lerngelegenheiten an iranischen Hochschulen nicht so stark ausgeprägt sind. Zum anderen hat die dogmatische Religiosität einen hemmenden Einfluss bei der Förderung der moralischen Fähigkeiten. Wie oben argumentiert, vermuteten wir, dass sich die Religion, die das ganze Leben im Iran durchdringt, als „Bremse“ für die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit erweisen könnte, und sogar die Wirkung von guter Bildung verringert.

 

In der vorliegenden Studie haben Studierende verschiedener Fachrichtungen zu Beginn des Studiums eine ähnliche moralische Urteils- und Diskursfähigkeit. Im Verlauf des Studiums zeigen sich jedoch Unterschiede. Psychologie-Studierende, die Möglichkeiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexionen im Lauf des Studiums haben, gewinnen an moralischen Fähigkeiten. Dagegen ist bei Psychologie-Studierenden mit wenigen Lerngelegenheiten ein starker Rückgang der moralischen Fähigkeiten zu verzeichnen. Bei den Studierenden der Ingenieurswissenschaften zeigt sich ein ähnlicher Verlauf. Das Ergebnis bei den Medizin-Studierenden zeigt eine Besonderheit.

 

Bei ihnen lässt sich der positive Zusammenhang von Bildungsqualität und moralischen Fähigkeiten nicht nachweisen. Die Medizin-Studierenden zeigten sowohl bei hoher als auch bei niedriger Bildungsqualität eine geringe Abnahme ihrer moralischen Fähigkeiten. Das Ergebnis der Medizin-Studierenden zeigt, dass die Qualität der medizinischen Ausbildung nicht ausreicht, um moralische Fähigkeiten zu fördern. Die vorliegende Studie bestätigt somit frühere diesbezügliche Studien (Self & Baldwin 1994; Lind 200; Schillinger 2006). Die Bewältigung der Herausforderungen des medizinischen Berufslebens benötigt mehr als fachliche Kompetenz. Die Befunde der vorliegenden Studie unterstützen die Annahmen der Bildungstheorie über die Bedeutung von Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexionen für die moralische Entwicklung. Sie wiederlegen die Annahmen der Reifungstheorie, dass moralische Entwicklung mit dem Alter und folglich mit der Studienzeit zunimmt. Die Daten lassen den Schluss zu, dass moralische Urteils- und Diskurskompetenz durch die Bereitstellung von mehr Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexion gefördert werden kann. Dies ist aber im iranischen Hochschulwesen zu wenig der Fall. Der Lehrplan zielt weitgehend auf die Vermittlung von Faktenwissen. So basiert der größte Teil des Studiums auf dem Auswendiglernen der Vorlesungsinhalte, die von der jeweiligen Fakultät bestimmt werden. Gleichzeitig steht die Vermittlung der religiösen Moralität im Vordergrund. Die Konzentration der Universitäten auf die Förderung von Fachkenntnissen und auf den Religionsunterricht als Haupteinheit des universitären Lehrplans, bietet selten Freiräume und Anregungen zur Förderung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit während des Studiums. Dabei kommt die Bildung der Persönlichkeit zu kurz. Verteidiger der gegenwärtigen iranischen Hochschulen könnten einwenden, dass an den Hochschulen nicht nur Faktenwissen vermittelt wird, sondern auch viel Wert auf die religiöse Bildung gelegt würde. Diese könnte als eine Grundlage der moralischen Entwicklung angesehen werden. Diese Hypothese kann durch die vorliegende empirische Studie widerlegt werden. Im Iran ist mit Religiosität keine persönliche, aufgeklärte Religiosität gemeint. Eher wird hier unter Religiosität meist eine konfessionelle, dogmatische Religiosität verstanden, die auf eine Unterdrückung des freien Denkens und des freien Dialogs hinausläuft.

6.2 Dogmatische Religiosität erweist sich als ein hemmender Faktor für die Moralentwicklung

 

Dogmatische Religiosität.

 

Die vorliegende Studie hat erneut bestätigt, dass sich dogmatische Religiosität hemmend auf die Moralentwicklung auswirkt (Lupu, 2009). Dies wird bei Studierenden mit dogmatischer bzw. sehr-dogmatischer Religiosität besonders deutlich. Die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit der sehr-dogmatischen Studierenden liegt weit unter der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit der nicht-dogmatischen Studierenden. Diese Befunde geben Aufschluss darüber, welchen großen negativen Einfluss der Grad der dogmatischen Religiosität auf die Entwicklung der moralischen Fähigkeiten hat. Die Untersuchungsergebnisse belegen, dass die moralischen Orientierungen im Gegensatz dazu nicht vom Grad der dogmatischen Religiosität beeinflusst werden. Die Entwicklung der moralischen Orientierungen ist bei den nicht-dogmatischen, dogmatischen und sehr-dogmatischen Studierenden weitgehend ähnlich. Unabhängig von den dogmatisch-religiösen Einstellungen haben Studierende die gleiche Wertehierarchie. Dies widerlegt die Annahme der Sozialisationstheorie, die von einem fördernden Einfluss der Religion auf Moral ausgehen. Dies scheint im Einklang mit der Bildungstheorie zu sein, dass die moralischen Orientierungen angeboren sind und alle Menschen unabhängig von ihrer Kultur oder ihren religiösen Einstellungen höhere Stufen der moralischen Orientierungen präferieren. Die dogmatische Religiosität hat jedoch einen eindeutig negativen Einfluss auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit (kognitiven Aspekt). Sozusagen „bremst“ die dogmatische Religiosität die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit. Den negativen Einfluss der dogmatischen Religiosität sieht man sehr deutlich bei der Entwicklung der moralischen Fähigkeiten. Die iranischen Studierenden haben in einem der beiden Test-Dilemmas, dem Sterbehilfe-Dilemma eine deutlich geringe moralische Urteilsfähigkeit als im Arbeiter-Dilemma (siehe Anhang). Die absolute Effektstärke des Dilemma-Kontexts beträgt 18,86. Dies ist ein ungewöhnlich hoher Wert.

 

Dieses sogenannte Phänomen der moralischen Segmentierung findet sich nicht in allen Ländern. Im Iran scheint es besonders ausgeprägt zu sein: Vor allem, wenn es sich schon bei Studierenden in einem solchem Ausmaß zeigt, wie das in unserer Studie der Fall war. Ähnlich wie in anderen Ländern mit hoher Segmentierung (wie Mexiko und Rumänien), scheint dies auch hier durch die Religiosität der Teilnehmer bedingt zu sein.

 

Auch im Islam wird (ähnlich wie im Katholizismus und in der Orthodoxie) Sterbehilfe als Sünde abgelehnt. Es sind keine Umstände denkbar, die es in Erwägung ziehen ließen, das Leben eines todkranken Patienten künstlich beenden. In der vorliegenden Untersuchung zeigen sogar nicht-dogmatische Studierende eine sehr starke Segmentierung (abs. Es= -13,4). Das Phänomen ist allerdings bei dogmatischen und sehr-dogmatischen Studierenden ausgeprägter (abs. ES= -21,3 und -22,6). Religiöses Umfeld. Wie die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, scheint nicht nur die eigene (dogmatische) Religiosität sich auf die moralische Entwicklung auszuwirken, sondern auch das religiöse Umfeld. Die Studierenden im sehr-religiösen und im wenig-religiösen Umfeld besitzen am Anfang fast gleiche moralische Fähigkeiten. Die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit der Studierenden aus einem sehr-religiösen Umfeld bildet sich dann jedoch deutlich zurück, wobei sie sich bei Studierenden in einem wenig-religiösen Umfeld entwickelt. Der Effekt eines religiösen Umfelds wird deutlich, wenn man sieht, dass am Ende des Studiums die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit der Studierenden im sehr-religiösen Umfeld weit unter der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit der Studierenden im wenig-religiösen Umfeld liegt (abs. ES = -8,4). Wenn der Druck des religiösen Umfelds nachlässt, profitieren die Studierenden mehr von der Bildung. Es ist überraschend, wie verbreitet und tief verwurzelt die dogmatische Religiosität bei iranischen Studierenden ist. Denn einerseits hat die Religion ihre Glaubwürdigkeit in der iranischen Gesellschaft, vor allem bei der iranischen Studierenden, verloren, seitdem sie zur Staatsreligion geworden ist. Doch andererseits zeigen die Daten dieser Untersuchung, dass Studierende eine sehr starke innere Verbindung zum schiitischen Glauben haben. Die iranische Gesellschaft hat sich vom iranischen Regime abgewendet, aber nicht von seinem religiösen Glauben. Sie richten sich eher an ihren Glaubensvorschriften aus, als ihre moralischen Fähigkeiten zu trainieren.

Dogmatische Religiosität und Qualität der Bildung. Gute Bildung hat offenbar einen „kompensatorischen Effekt“. Sie kann der hemmenden Wirkung von dogmatischer Religiosität auf die Moralentwicklung entgegenwirken, wie die vorliegende Studie belegt. Es scheint, dass der negative Einfluss der dogmatischen Religiosität durch eine hohe Bildungsqualität ausgebremst werden kann. Wenn Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexionen vorhanden sind, neutralisiert sich der negative Effekt einer dogmatischen Religiosität auf die Moralentwicklung.

 

In Deutschland, wo die dogmatische Religiosität wenig verbreitet ist, zeigen die Studierenden in einer günstigen Lernumwelt einen Anstieg der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit (abs. ES = 3,3). In Ländern, in denen aber die dogmatische Religiosität präsent ist, wie z.B. Rumänien und Iran hilft eine hohe Bildungsqualität, dass sich die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit nicht zurückbildet. Dies wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass sich bei einem Zusammentreffen von dogmatischer Religiosität und wenigen Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme eine starke Regression der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit zeigt. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung unterstützen somit die Annahmen der Bildungstheorie. Erstens eine ausgeprägte dogmatische Religiosität hemmt die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit, zweitens ist eine hohe Bildungsqualität erforderlich, um den hemmenden Effekt der dogmatischen Religiosität auf die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit zu verringern oder zu neutralisieren. Dies spricht für die Schaffung einer angemessenen Anzahl von Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexion zur Förderung moralisch-demokratischer Fähigkeiten. Dieses Ergebnis bestätigt wiederum die Tatsache, wie wichtig und untrennbar diese Voraussetzungen für die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit sind. Die Konfrontation der Studierenden mit Aufgaben und Problemen, stimuliert die individuellen Fähigkeiten und fördert die kognitiven Entwicklungsprozesse. Allerdings sollten gleichzeitig Gelegenheiten zur begleiteten Hilfe und Beratung vorhanden sein, um Schwierigkeiten zu meistern und mögliche Fragen zu beantworten.

7. Empfehlungen für eine Reform des iranischen Hochschulunterrichts

 

Die Befunde unsere Untersuchung unterstreichen den Bedarf an wirksamer Förderung autonomer moralischer Fähigkeiten im iranischen Bildungssystem. Zudem drängen die oben genannten Befunde dazu, über die aktuelle universitäre Bildung im Iran nachzudenken. Wie kann sie so verbessert werden, dass die Studierenden mehr Gelegenheit für Verantwortungsübernahme und somit Voraussetzungen für die Entwicklung ihrer moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit erhalten?

 

7.1 Ansatz der „Konstanzer Methode der Dilemma Diskussion (KMDD)“ zur Förderung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit

 

Die vorliegende Untersuchung bestätigt den vielfachen Befund, dass von der Dauer der Bildung allein keine Förderwirkung auf die moralische Urteilsfähigkeit ausgeht, sondern dass Bildung dafür bestimmte qualitative Anforderungen erfüllen muss. In der Literatur wird empfohlen, Studierenden wenigstens einige Gelegenheiten zur Verantwortungsübernahme und angeleiteten Reflexion zu geben (Sprinthall et al., 1985,1995; Lind, 2000; Schillinger & Lind, 2002). Hierdurch, so bestätigen die Studien von Schillinger (2006) und Lupu (2009), lässt sich bereits eine deutliche Erhöhung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit erreichen. Eine zusätzliche und weitaus effektivere Maßnahme, ist die von Lind entwickelte „Konstanzer Methode der Dilemma Diskussion (KMDD[Lind, 2009b])“. Die KMDD ist eine effektive Methode zur Förderung moralisch-demokratischer Kompetenzen. Eine Lehrerausbildung gemäß den vier pädagogischen Prinzipien der KMDD hilft dem Lehrer die Methode effektiv im Unterricht einzusetzen (Lind, 2009 b). Das erste pädagogische Prinzip einer effektiven Moralerziehung ist der Aufbau einer demokratischen Lerngemeinschaft von Lehrenden und Lernenden, deren Kernmerkmal wechselseitiger Respekt und Gerechtigkeit sind. Nur wenn die Lernenden sich respektiert und frei von Angst und Demütigung fühlen, ist überhaupt effektives und nachhaltiges Lernen möglich.

 

Das zweite pädagogische Prinzip ist die kognitive Konstruktion und Elaboration, d.h. neues Wissen (neue Begriffe) werden vom Lernenden aktiv, unter Zuhilfenahme seines bisherigen (bewussten und unbewussten) Wissensbestandes zu verstehen und zu behalten versucht. Der Lernprozess vollzieht sich immer individuell verschieden. Die von der Lehrperson gestellten Aufgaben werden von jedem Lernenden individuell wahrgenommen und verarbeitet. Das dritte pädagogische Prinzip ist die Aufrechterhaltung eines hohen Aufmerksamkeits-niveaus, d. h. dass das Erregungsniveau in einer Lernsituation auf einem mittleren Niveau gehalten werden soll, um eine maximale Aufmerksamkeit und Lernmotivation zu ermöglichen. Dies wird durch rhythmisch abwechselnde Phasen der Unterstützung und Herausforderung erreicht. Sowohl zu wenig Erregung (Mangel an Herausforderung, Neugier, Interesse), als auch zu viel Erregung (Ärger, Wut, Euphorie) senkt den Lernerfolg. Das optimale „Lernfenster“ in einer Lerngruppe kann am besten dadurch erreicht werden, dass sich Phasen der Unterstützung und Phasen der Herausforderung in einem bestimmten Rhythmus abwechseln. Die Lehrperson sollte dabei genau auf den „affektiven Zustand“ der Lerngruppe achten und den Phasenwechsel so einleiten, dass das Erregungsniveau im optimalen Lernfenster bleibt. Die durch diesen Phasenwechsel ermöglichte Affektkontrolle wird von den Lernenden meist als sehr angenehm empfunden. Erfahrungsgemäß kann der Phasenwechsel je nach Lernstoff und Lerngruppe zwischen 5 und 30 Minuten betragen (Lind, 2009b). Ein vierter Baustein, der nicht den Unterricht selbst betrifft, sondern die Arbeit der Lehrperson, ist die selbstbestimmte Evaluation der eigenen Lehreffektivität bzw. der Methoden, die man als Lehrende im Unterricht und der Lehre anwendet. Die wichtigsten Grundprinzipien der Verbesserung der Lehre durch selbstbestimmte Evaluation (kurz: ITSE, Improvement of Teaching through Self-determined Evaluation) wurden ausführlich in Lind (2009a) dargestellt.

 

Die von Lind entwickelte Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion (KMDD) vereint diese vier pädagogischen Prinzipien, um die moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit sehr effektiv zu fördern. Darüber hinaus fördert diese Methode spezifisch demokratische Kompetenzen, wie die Fähigkeit, Konflikte durch vernünftigen Diskurs zu beheben. Die Effektivität der KMDD zeigt Hepach (2007) in seiner Meta-Analyse von 35 veröffentlichen Untersuchungen innerhalb der Jahren 1985 bis 2006. Die Entwicklung der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit durch die Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussionen ist viel effizienter (r = 0.70) im Vergleich zu anderen Methoden der Dilemmadiskussion, wie z. B. der Blatt-Kohlberg Methode (Lind, 2009a). Die Qualität der Hochschulbildung lässt sich also sehr stark verbessern, wenn man die oben genannten Prinzipien guter Lehre konsequent anwendet. Dadurch tragen die Hochschulen nicht nur zu kognitiver Entwicklung, sondern auch zu einer Erweiterung des Weltbilds der Studierenden bei. Forschungen zur moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit zeigen, dass eine höhere moralische Urteils- und Diskursfähigkeit größere Lernfreude und Motivation erzeugt und lernhemmende Angst vor Mitlernenden und Lehrenden senkt. Sie eröffnet uns vor allem neue Dimensionen der Pädagogik. Wir stehen als Lehrer und Eltern nicht mehr länger vor der Wahl zwischen einer totalen Abstinenz von Moralerziehung auf der einen Seite und Werteindoktrination auf der anderen, wie das lange Zeit der Fall war, sondern sehen uns vor der – nicht nur legitimen, sondern moralisch gebotenen – Aufgabe, die Fähigkeit von Heranwachsenden zu fördern, ihre eigenen moralischen Prinzipien im Handeln konsistent und differenziert anzuwenden. Schule und Hochschule könnten ihre Aufgabe, die Förderung moralisch-demokratischer Fähigkeiten, besser als bisher erfüllen, wenn sie sich gezielt und methodisch darum bemühen würden.

 

 

7.2 Integration der Moralerziehung nach der Zwei-Aspekte Theorie im Religionsunterricht

Die Befunde der vorliegenden Untersuchung haben den Nachweis erbracht, dass bloße Vermittlung religiöser Werte keine Förderung der moralischen Fähigkeiten mit sich bringt. Ein herkömmlicher Religionsunterricht, wie er Teil der universitären Lehrpläne im Iran ist, unterstützt somit kein moralisch verantwortliches Denken und Handeln. Die moderne Moralpsychologie mit ihrer Differenzierung zwischen zwei Kernaspekten des moralischen Verhaltens hat hier für die Praxis der Erziehung und auch für die Gestaltung unseres Bildungswesens bereits vielfältige Konsequenzen aufgezeigt (Lind, 2003; Oser & Althof, 1994). Die Kenntnis religiöser und moralischer Normen allein veranlasst keine Verhaltensänderung. Gemäß der Zwei-Aspekte Theorie bedarf es vielmehr moralischer Fähigkeiten, um diese Prinzipien konsistent und differenziert in konkreten Situationen anzuwenden. Um moralische Fähigkeiten zu fördern, sollte zusätzlich zu Vermittlung der religiösen Werte im Religionsunterricht die KMDD eingesetzt werden. Studierende sollen dann in einem semi-realen Dilemma, in dem religiöse und moralische Normen aufeinander treffen, versuchen praktisch-argumentativ zu kommunizieren. Die KMDD fordert von den Studierenden einen gleichberechtigten Austausch, gegenseitigen Respekt vor der Meinung des Anderen und eine Auseinandersetzung mit Gegenargumenten. Die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit der Studierenden kann durch die KMDD wirksam gefördert werden, da sie ihnen ermöglicht eine semi-reale moralische Konfliktsituation mit friedlichen Mitteln zu lösen. Alle moralischen und auch religiösen Prinzipien können im Verlauf der KMDD angemessen berücksichtigt und Konflikte zwischen ihnen aufgelöst werden. Für die weitere Forschung dürfte es sich lohnen, insbesondere den Sozialisationsfaktor dogmatische Religiosität näher zu untersuchen, da er mit der moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit in einem stark negativen Zusammenhang steht. Wie Lupu (2009) zeigen konnte, sind dogmatische Religiosität (im Sinne einer auf Autoritäten bezogenen Religiosität) und persönliche Religiosität (im Sinne einer individuellen Spiritualität) voneinander unabhängig. Die derzeit vor allem in Nordamerika und Westeuropa stattfindende „Renaissance der Spiritualität“ (Passmore, 2005) dürfte also keine Auswirkungen auf die moralische Urteils- und Diskursfähigkeit haben. Wohl aber scheint die Erstarkung orthodoxer Religionen die Entwicklung moralischen Urteils- und Diskursfähigkeit zu senken, wie Studien z. B. in Rumänien (Lupu, 2009) oder in islamistischen Ländern zeigen.

 

 


 

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9. Anhänge

 

Anhang A:

Deutsche Version des Fragebogens

Auszug aus dem Moralisches Urteil Test (MUT). Der gesamte Test kann beim Autor Prof. Dr. Georg Lind angefordert werden: Lind@kmdd.info, http://www.uni-konstanz.de/ag-moral/ © Copyright by Georg Lind

Anhang B: Iranische Version des Fragebogens

MJT Copyright © by Prof. Georg Lind; http://www.uni-konstanz.de/ag-moral/

Anhang C: Schriftverkehr mit den iranischen Hochschulen